MoR 01 - Die Macht und die Liebe
Flaschenzüge, wie ich verstanden habe. Er hat mir gezeigt, wie das funktioniert, aber ich bin in solchen Dingen schrecklich unbegabt und konnte ihm nicht ganz folgen.«
»Seine Erfindungen scheinen sich zu lohnen, wenn er es sich leisten kann, im Stock über uns zu wohnen«, sagte Caesar. Er bemerkte mit einem unbehaglichen Gefühl, daß seine Frau nicht mehr so unbefangen und begeistert erzählte, aber er besaß nicht genug Einfühlungsvermögen, um zu merken, wessen Schuld das war.
»Seine Flaschenzüge baut er zusammen mit einer Gießerei, die viel für große Baufirmen arbeitet. Seine Bremsen stellt er in eigenen kleinen Betrieben irgendwo am Ende der Straße her.« Sie holte tief Luft und kam zu ihren ungewöhnlichsten Mietern: »Und wir haben ein ganzes Stockwerk voll Juden, Gaius Julius! Sie leben gerne zusammen mit anderen Juden, erzählten sie mir, weil sie so viele Regeln und Vorschriften zu befolgen haben - die sie sich im übrigen anscheinend selbst gegeben haben. Sehr fromme Leute! Ich kann die Abneigung der anderen gegen die Juden verstehen - verglichen mit ihnen sind wir ziemlich unmoralisch. Sie sind alle selbständig, vor allem weil sie jeden siebten Tag ihren Sabbat halten. Sind das nicht eigenartige Regeln? Wo doch in Rom an jedem achten Tag ein Feiertag mit Markt ist, und dann die vielen Feiern und Feste. Sie passen nicht zu nichtjüdischen Arbeitgebern. So vergeben sie die Arbeit lieber untereinander, anstatt normale Arbeitsstellen anzunehmen.«
»Wie ungewöhnlich!« sagte Caesar.
»Sie sind alle Handwerker und Gelehrte«, sagte Aurelia und versuchte, möglichst unbeteiligt zu wirken. »Einer von ihnen - Shimon heißt er, glaube ich - ist ein ganz ausgezeichneter Schreiber. Wunderbare Arbeit, Gaius Julius, wirklich sehr schön! Er schreibt nur in griechischer Schrift. Keiner von ihnen spricht Latein ganz perfekt. Wenn ein Verleger oder ein Autor ein besonderes Buch herausgeben will, das auch mehr kosten darf, geht er zu Shimon. Seine vier Söhne werden auch alle Schreiber. Shimon möchte, daß sie Latein genauso fließend beherrschen wie Griechisch, Aramäisch und - Hebräisch sagte er wohl auch noch. Dann werden sie immer genügend Arbeit haben in Rom.«
»Sind alle Juden Schreiber?«
»Nein, nein, nur Shimon. Einer arbeitet mit Gold, er beliefert ein paar Geschäfte am Porticus Margaritaria. Dann haben wir noch einen Portraitbildhauer, einen Schneider, einen Waffenschmied, einen Weber, einen Steinmetz und einen Balsamhändler.«
»Sie arbeiten doch hoffentlich nicht alle im Haus?« fragte Caesar besorgt.
»Nur der Schreiber und der Goldschmied, Gaius Julius. Der Waffenschmied besitzt eine Werkstatt in der Alta Semita, der Bildhauer hat Räume von einer großen Firma im Velabrum gemietet, und der Steinmetz bewirtschaftet ein Stück Land in der Nähe der Marmorkais am Hafen von Rom.« Aurelia konnte nicht verhindern, daß ihre veilchenblauen Augen wieder zu leuchten begannen. »Sie singen viel. Religiöse Lieder, glaube ich. Es sind ganz eigenartige Gesänge, weißt du, orientalisch und unmelodiös. Aber es ist nett, einmal etwas anderes als Kindergeschrei zu hören.«
Caesar strich ihr mit der Hand eine Haarsträhne zurück, die ihr ins Gesicht gefallen war. Ganze achtzehn Jahre war sie alt, seine Ehefrau. »Die Juden wohnen also gerne hier?« fragte er.
»Eigentlich leben wohl alle gerne hier«, sagte sie.
An diesem Abend schlief Caesar schon, als Aurelia noch wachlag und ein paar Tränen in ihr Kissen weinte. Sie wäre niemals auf die Idee gekommen, daß Caesar in einer insula in der Subura die gleichen Verhaltensweisen von ihr erwarten würde wie von einer Hausfrau auf dem Palatin. Konnte er denn nicht verstehen, daß es in diesen engen, dichtbewohnten Vierteln keine solchen Zerstreuungen und Vergnügungen gab wie auf dem Palatin? Nein, natürlich konnte er das nicht. Die ersten Schritte auf der politischen Karriereleiter nahmen seine ganze Zeit in Anspruch. Er verbrachte seine Tage auf dem Gericht, mit wichtigen Senatoren wie dem Senatsvorsitzenden Marcus Aemilius Scaurus, in der Münzprägeanstalt, bei den Beamten des Staatsschatzes und in den verschiedenen Arkaden und Säulengängen, wo ein zukünftiger Senator sein Handwerk lernte. Es gab sicher keinen zweiten Gatten, der so sanft, so freundlich und so aufmerksam gewesen wäre, aber Gaius Julius betrachtete seine Frau eben auch als etwas ganz Besonderes.
Aurelias heimlicher Wunsch war es gewesen, die insula selbst zu führen
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