MoR 01 - Die Macht und die Liebe
Auge auf sie zu haben, in die Schranken.
»Wenn ich dich brauche, werde ich dich schon holen, Vater«, erklärte sie Cotta unmißverständlich.
»Onkel Publius, laß mich in Ruhe!« bekam Rutilius Rufus zu hören.
»Sextus Julius, geh doch nach Gallia!« sagte sie zum älteren Bruder ihres Ehemannes.
Dann wandte sie sich an Cardixa und rieb sich vergnügt die Hände: »Endlich gehört mein Leben mir! Jetzt wird sich einiges ändern!«
Den Anfang machte sie in ihren eigenen vier Wänden. Die Sklaven, die Caesar und sie kurz nach der Hochzeit gekauft hatten, hielten sie eher auf Trab, als daß sie ihr Arbeit abnahmen. Unter der Führung des Verwalters, eines Griechen namens Eutychus, erledigten sie ihre Aufgaben so gut, daß Aurelia keine ausreichenden Gründe fand, um sich bei Caesar über sie zu beklagen. Caesar sah vieles nicht so wie sie, außerdem war er oft so in Gedanken, daß er manches überhaupt nicht sah, vor allem Dinge im Haus. Aurelia schaffte es innerhalb eines einzigen Tages, daß die Dienstboten nach ihrer Pfeife tanzten. Erst hielt sie ihnen eine Standpauke, dann verkündete sie den Arbeitsplan. Gaius Marius hätte ihre Rede sehr imponiert, denn sie war kurz und unverblümt, im harten Ton und mit den knappen Handbewegungen eines Feldherrn.
»Oh weh! Und ich dachte, sie wäre ein nettes kleines Ding«, stöhnte Murgus, der Koch, später gegenüber dem Verwalter Eutychus.
Der Verwalter klimperte mit seinen verführerisch langen Wimpern: »Und was soll ich sagen? Ich hatte mir vorgestellt, ich könnte mich in ihr Schlafzimmer schleichen und sie ein bißchen über Caesars Abwesenheit hinwegtrösten - und jetzt so was! Da würde ich ja eher zu einer Löwin ins Bett kriechen!«
»Meinst du, sie würde allen Ernstes den großen finanziellen Verlust in Kauf nehmen und uns mit schlechten Empfehlungen verkaufen?« fragte Murgus, dem bei dem bloßen Gedanken schon die Knie zitterten.
»Sie würde uns kreuzigen lassen, wenn es sein muß!« sagte der Verwalter ungerührt.
Nach dieser ersten Schlacht nahm Aurelia die Verhandlungen mit dem Mieter der anderen Parterrewohnung in Angriff. In ihrem Gespräch mit Caesar über die Hausbewohner hatte sie diesen Mann gar nicht erwähnt, Caesar hätte die Lage nicht so gesehen wie sie. Aber jetzt hatte sie freie Hand, und sie handelte.
Die andere ebenerdige Wohnung war über den Innenhof der insula erreichbar, Aurelia hätte nur über den Hof am Fuße des Lichtschachts hinübermarschieren müssen. Doch das hätte ihrem Besuch einen Charakter von Vertraulichkeit verliehen, den sie gerade nicht wünschte. Sie wollte die Wohnung ihres Mieters durch die vordere Haustür betreten. Das bedeutete, daß sie durch ihre Vordertür auf den Vicus Patricii treten mußte, rechts herum an den vermieteten Ladenräumen vorbei bis zur Spitze des Gebäudes gehen mußte, wo die Taverne an der Kreuzung stand, dann nach rechts in die Subura Minor hinein und an den anderen Geschäften ihrer insula vorbei, bis sie endlich zur Haustür der zweiten Parterrewohnung kam.
Hier wohnte ein berühmter Schauspieler namens Epaphroditos, und zwar, wenn man den Büchern trauen konnte, seit mehr als drei Jahren.
»Sag Epaphroditos, seine Hauswirtin möchte ihn sprechen«, wies Aurelia den Türsklaven an.
Während sie in der Eingangshalle wartete - die genauso groß war wie die Halle in ihrer Wohnung -, suchte sie mit geübtem Blick die Wände nach Rissen, abgeschlagenen Ecken, abblätternder Farbe und ähnlichem ab. Seufzend mußte sie feststellen, daß es hier besser aussah als in ihrer eigenen Eingangshalle. Die Wände waren frisch bemalt mit üppigen Früchten, bunten Blumen und prallen Cupidos zwischen täuschend echt nachgeahmten Purpurvorhängen.
»Ich kann es nicht glauben!« drang eine angenehm wohltönende Stimme auf griechisch an ihr Ohr.
Blitzschnell wandte Aurelia sich um. Ihr Mieter war sehr viel älter, als sie es der Stimme nach erwartet hätte. Auch sein Aussehen - jedenfalls soweit sie es von jenseits des Hofes her hatte einschätzen können - und der Ruf, den er als Schauspieler genoß, hätten nicht vermuten lassen, daß er ein Mann in den Fünfzigern war. Er war sorgfältig geschminkt und trug eine goldgelbe Perücke und eine üppig fallende Robe aus tyrischem Purpur, bestickt mit Tausenden von goldenen Sternen. Viele Römer trugen Purpur und gaben vor, es wäre der echte Purpur aus Tyros, aber dieser war wirklich echt: eine Farbe zwischen Schwarz und Violett glänzend, in
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