MoR 02 - Eine Krone aus Gras
leer sind, als daß sie sich mit einem Buch trösten könnten. Die meisten von ihnen können mit ihren Ehemännern nichts anfangen, weil sie Vernunftehen schließen mußten — entweder waren ihre Väter auf politischen Machtzuwachs erpicht, oder ihre Gatten hatten es auf die Mitgift oder das zusätzliche Ansehen abgesehen. Wenn die Frauen den Alltagstrott dann ein Jahr lang mitgemacht haben, sind sie reif für eine Dummheit, wie zum Beispiel eine Liebesaffäre.« Aurelia seufzte. »In der Liebe können sie wenigstens frei wählen, Lucius Cornelius, wo können sie das sonst noch? Die Klügeren begnügen sich mit Sklaven, die Dummen verlieben sich ernsthaft. Und damit haben wir es leider in diesem Fall zu tun. Delmatica, das arme dumme Kind, ist ganz von Sinnen! Und du bist die Ursache ihres Wahnsinns.«
Sulla kaute auf seiner Lippe und verbarg seine Gedanken, indem er auf seine Hände starrte. »Nicht willentlich«, sagte er.
»Ich weiß das! Aber weiß es auch Marcus Aemilius Scaurus?«
»Ich hoffe bei den Göttern, daß er gar nichts weiß!«
Aurelia schnaubte. »Ich könnte mir denken, er weiß eine ganze Menge.«
»Warum hat er mich dann nicht aufgesucht? Oder soll ich ihn aufsuchen?«
»Darüber denke ich gerade nach«, sagte Aurelia, Eigentümerin eines großen Mietshauses, Vertraute von vielen, Mutter von drei Kindern und einsame Ehefrau, die stets beschäftigt war und doch nie geschäftig tat.
Sie saß seitlich an ihrem großen Arbeitstisch, der ganz mit Papieren und Buchrollen bedeckt war. Trotzdem zeugte der Tisch nicht von Unordnung, sondern lediglich von viel Arbeit.
Wenn sie mir nicht helfen kann, dachte Sulla, kann mir niemand helfen. Die einzige andere Person, die er noch um Rat hätte fragen können, war in dieser Situation nicht zuverlässig. Aurelia war nur eine Freundin, Metrobius war noch sein Liebhaber mit allen gefühlsmäßigen Komplikationen, die ein solches Verhältnis mit sich brachte, ganz zu schweigen von der Tatsache, daß Metrobius männlichen Geschlechts war. Der junge griechische Schauspieler hatte am Vortag eine scharfe Bemerkung über Delmatica fallen lassen. Da erst war Sulla voller Schrecken klargeworden, daß offenbar ganz Rom über ihn und Delmatica redete, denn die Welt von Metrobius war meilenweit entfernt von der Welt, in der sich Sulla mittlerweile bewegte.
»Sollte ich Marcus Aemilius Scaurus aufsuchen?« fragte er noch einmal.
»Ich finde, du solltest lieber mit Delmatica selbst sprechen, aber ich sehe keine Möglichkeit, wie du das bewerkstelligen kannst«, sagte Aurelia mit gespitzten Lippen.
Sulla kam ein Gedanke. »Könntest du sie vielleicht hierher einladen?«
»Auf gar keinen Fall!« Aurelia war entsetzt. »Lucius Cornelius, du bist sonst ein besonders nüchtern und praktisch denkender Mann, aber manchmal scheinst du deinen angeborenen Verstand nicht benutzen zu wollen! Verstehst du denn nicht? Marcus Aemilius Scaurus läßt seine Frau mit Sicherheit beobachten. Bisher hast du deinen Ruf nur retten können, weil ihm die Beweise für seinen Verdacht fehlten.«
Sulla zeigte seine langen Eckzähne, aber es war kein Lächeln. Einen unvorsichtigen Augenblick lang ließ er seine Maske fallen, und Aurelia bekam jemanden zu sehen, den sie nicht kannte. Aber — stimmte das wirklich? Oder sah sie vielleicht jemanden, dessen Existenz sie schon immer geahnt hatte, den sie aber bisher nie zu Gesicht bekommen hatte? Jemand, dem alle menschlichen Eigenschaften fehlten, ein nacktes Ungeheuer mit Klauen, das nur den Mond anheulen konnte. Zum ersten Mal in ihrem Leben hatte sie furchtbare Angst.
Ihr sichtliches Erschauern verscheuchte das Ungeheuer. Sulla setzte seine Maske wieder auf und stöhnte.
»Aber was soll ich dann tun, Aurelia? Was kann ich tun?«
»Als du mir das letzte Mal von ihr erzählt hast — allerdings vor zwei Jahren —, sagtest du, du seist in sie verliebt, obwohl du sie nur dieses eine Mal getroffen hättest. Ganz ähnlich wie bei Julilla, nicht? Das macht es ja so schlimm. Sie weiß natürlich nichts von Julilla außer der Tatsache, daß du früher eine Frau hattest, die sich das Leben nahm — was bestens geeignet ist, deine Anziehungskraft auf Frauen noch zu steigern. Es suggeriert nämlich, daß es für eine Frau gefährlich ist, dich zu kennen und zu lieben. Was für eine Herausforderung! Nein, ich fürchte, die arme kleine Delmatica hat sich hoffnungslos in den Schlingen verfangen, die du — wie unbeabsichtigt auch immer — ausgelegt
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