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MoR 02 - Eine Krone aus Gras

Titel: MoR 02 - Eine Krone aus Gras Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Colleen McCullough
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Sulla und hob seinen Becher.
    Ein schwer zu brechendes Schweigen entstand. Die alte Übereinstimmung war nicht mehr da, und Sullas Antwort hatte sie auch nicht wiederhergestellt. Vielleicht, dachte Publius Rutilius Rufus, war die frühere Eintracht in Wirklichkeit eine Zweck- und Kampfgemeinschaft gewesen, keine tiefverwurzelte Freundschaft. Aber wie konnten Marius und Sulla all die Jahre vergessen, in denen sie die äußeren Feinde Roms gemeinsam bekämpft hatten? Wie konnte die Unzufriedenheit ihres jetzigen Lebens in Rom die ganze Vergangenheit auslöschen? Saturninus hatte das Ende des alten Lebens bedeutet. Saturninus und der unselige Schlaganfall von Marius. Dann sagte Publius Rutilius Rufus sich: Unsinn, Publius Rutilius Rufus! Marius und Sulla sind eben beide Männer, die immer aktiv und mit wichtigen Dingen beschäftigt sein müssen. Sie sitzen nicht gerne zu Hause herum — so ganz ohne Amt und Würden. Sobald sie wieder zusammen in den Krieg ziehen können oder ein Saturninus auftaucht, der König von Rom werden will, schnurren sie wieder miteinander wie zwei Katzen, die einander das Gesicht lecken.
    Aber die Zeit verging. Er und Gaius Marius standen in ihrem sechzigsten Lebensjahr, Lucius Cornelius Sulla war zweiundvierzig. Da Publius Rutilius Rufus sich nicht in den trügerischen Tiefen eines Spiegels zu betrachten pflegte, wußte er nicht, wie gut er selbst dem Ansturm des Alters standgehalten hatte. Aber seine Augen waren noch sehr gut, zumindest auf die Entfernung, in der er jetzt Gaius Marius und Lucius Cornelius Sulla vor sich sah.
    Gaius Marius war in letzter Zeit um einiges schwerer geworden und mußte sich neue Togen schneidern lassen. Ein gewichtiger Mann war er immer gewesen, aber gesund und wohlproportioniert. Sein zusätzliches Gewicht verteilte sich nun auf Schultern, Rücken, Hüften, Schenkel und auch auf seinen muskulös wirkenden Bauch. Die zusätzliche Last, die er mit sich herumtragen mußte, hatte sein Gesicht ein wenig geglättet, das nun größer, runder und dank des zurückweichenden Haaransatzes höher wirkte. Die linksseitige Lähmung übersah Rutilius Rufus bewußt und verweilte statt dessen auf den erstaunlichen Augenbrauen — sie waren so gewaltig, buschig und eigenwillig wie eh und je. Die Brauen des Gaius Marius hatten schon so manchen Bildhauer in Verzweiflung gestürzt! Die römischen oder italischen Bildhauer, die den Auftrag erhielten, eine Stadt, ein öffentliches Gebäude oder irgendein freies Grundstück, auf dem unbedingt eine Statue aufgestellt werden mußte, mit einem in Stein gehauenen Bildnis des Marius zu verschönern, wußten ja wenigstens, was ihnen bevorstand, noch ehe sie Gaius Marius zu Gesicht bekamen. Reiste dagegen ein gefeierter griechischer Bildhauer aus Athen oder Alexandria nach Rom, um ein Ebenbild des seit Scipio Africanus meistporträtierten Mannes zu schaffen, erschien auf seinem Gesicht angesichts dieser Brauen das blanke Entsetzen. Die Künstler gaben ihr Bestes, aber Gaius Marius’ Gesicht war auch auf einfachen Zeichnungen auf einer Holztafel oder einem Stück Leinwand stets nur der Hintergrund für die alles dominierenden Brauen.
    Das beste Porträt seines alten Freundes, das Rutilius Rufus kannte, war eine mit schwarzer Farbe auf die Außenwand von Rutilius Rufus’ Haus grob hingeworfene Zeichnung. Sie bestand nur aus ein paar Strichen — eine einzige sinnliche Kurve deutete die volle Unterlippe an, eine andere die funkelnden Augen — wie hatte der unbekannte Maler es fertiggebracht, mit Schwarz funkelnde Augen darzustellen? —, die Augenbrauen bestanden nur aus jeweils zehn Strichen. Und doch war es Gaius Marius, wie er leibte und lebte, mit all seinem Stolz, seiner Klugheit, seiner Unbezähmbarkeit, in einem Wort, seinem Charakter. Wie sollte man diese Art von Kunst beschreiben? Vultum in peius fingere... ein mit Boshaftigkeit geformtes Gesicht, aber so gut gemacht, daß aus der Boshaftigkeit Wahrheit geworden war. Doch noch bevor Rutilius Rufus hatte überlegen können, wie er das gelungene Porträt auf seiner Mauer retten konnte, ohne daß es in tausend Stücke zerfiel, war es von einem Regenguß abgewaschen worden.
    Auch der begabteste Zeichner hätte kein solches Porträt von Lucius Cornelius Sulla machen können. Ohne den Zauber der Farbe wäre Sulla ein beliebiger, einigermaßen gutaussehender Mann gewesen: ein wohlgeformter Kopf, ebenmäßige Züge, alles in allem ein typisch römisches Gesicht, ganz im Gegensatz zu Gaius

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