MoR 04 - Caesars Frauen
dir nicht für mich wünschen.«
»Das ist wahr.« Der Blick ihrer dunklen Augen, der so streng sein konnte, ruhte nicht unfreundlich auf ihm; Servilia konnte sich der Überzeugungskraft des Arguments nicht verwehren. Also nickte sie, nachdem sie den Gedanken noch einmal geprüft hatte. »Meinetwegen, Brutus, wenn ihr Vater wieder in Rom ist, werde ich ihn fragen. Du brauchst keine reiche Braut, aber es ist wichtig, daß ihre Herkunft zu deiner paßt. Eine Julia wäre ideal. Besonders diese Julia. Patrizierin vom Vater und von der Mutter her.«
Und so hatten sie beschlossen zu warten, bis Julias Vater von seinem Posten als Quästor in Hispania Ulterior zurückkehren würde. Das unterste der wichtigen Magistrate — Quästor. Doch Servilia war davon überzeugt, daß Julias Vater das Amt außerordentlich gut versehen hatte. Seltsam, daß sie ihm noch nie begegnet war, wenn man bedachte, wie klein die Gruppe der echten römischen Nobilität war. Beide gehörten sie ihr an. Aber die Frauen erzählten sich, daß er so etwas wie ein Außenseiter war, viel zu beschäftigt für das gesellschaftliche Leben, das die meisten Männer wie er führten, wenn sie in Rom waren. Es wäre ihr leichter gefallen, für Brutus um die Hand seiner Tochter anzuhalten, wenn sie ihn gekannt hätte, auch wenn sie eigentlich nicht zweifelte, wie die Antwort ausfallen würde. Brutus war ein sehr standesgemäßer Bewerber, selbst für einen Julier.
Mit den prächtigen Atrien des Palatins konnte Aurelias Empfangssalon sich nicht messen, aber er bot ausreichend Platz für das gute Dutzend von Frauen, die hereingeströmt waren. Die offenen Läden gaben den Blick auf einen Garten frei, der seine sprichwörtliche Schönheit den Händen des Gaius Matius verdankte. Dieser Mann brachte Rosen auch im Schatten zum Blühen und konnte Weinranken veranlassen, sich zwölf Stockwerke hoch an Gittern und Balkonen emporzuhangeln, rechteckige Büsche in vollkommene Kugeln verwandeln und ein schlichtes Marmorbecken mit einer Schwerkraftspeisung versehen, die es dem aufgerichteten, doppelt geschwänzten Delphin erlaubte, das Wasser in hohem Bogen aus seinem furchterregenden Maul zu spritzen.
Die Wände des Empfangssalons waren gut erhalten und in stilvollem Rot getüncht, häufiges Scheuern hatte dafür gesorgt, daß der billige Terrazzoboden in hellem Rosa erstrahlte, und die Deckenmalerei ließ auch ohne kostspieliges Blattgold die Illusion eines sommerlichen Wolkenhimmels entstehen. Nicht gerade das Domizil eines Mächtigen, aber einem jungen Senator durchaus angemessen, dachte sich Brutus, während er Julia betrachtete, die ihrerseits die Frauen im Auge hatte. Als Julia auf ihn aufmerksam wurde, sah auch er schnell zu den Frauen hinüber.
Seine Mutter hatte auf der Liege gleich neben Aurelia Platz genommen, wo sie gut zur Geltung kam, auch wenn ihre Gastgeberin mit fünfundfünfzig Jahren noch als eine der großen Schönheiten Roms galt. Aurelia hatte eine elegante, schlanke Figur; die Ruhepose kam ihr durchaus zustatten, weil sie sich vielleicht ein wenig zu forsch bewegte, um wirklich anmutig zu sein. Keine einzige graue Strähne trübte das leuchtende Braun ihres Haars, die Haut war noch immer glatt und geschmeidig. Aurelia hatte Servilia die Schule für Brutus empfohlen, denn sie war ihre wichtigste Vertraute.
Schon war Brutus mit den Gedanken bei der Schule, keine untypische Abschweifung bei einem unsteten Geist wie dem seinen. Seine Mutter hatte Brutus nicht auf eine Schule schicken wollen, aus Angst, ihr Sohn könnte dort mit Kindern von niederem Rang und Ansehen in Berührung kommen; zudem hätten die sich über seinen Lerneifer doch nur lustig gemacht. Sie wollte Brutus einen Hauslehrer besorgen. Aber sein Stiefvater hatte darauf bestanden, daß diesem einzigen Sohn der Ansporn und die Konkurrenz einer Schule nicht vorenthalten würden. »Eine vernünftige Beschäftigung und ganz normale Spielgefährten«, so hatte Silanus es ausgedrückt. Er war nicht etwa eifersüchtig auf den ersten Platz, den Brutus in Servilias Herzen einnahm; wenn er mit der Schule fertig war, sollte der Junge gelernt haben, mit Gleichaltrigen aus allen gesellschaftlichen Schichten zurechtzukommen. Natürlich hatte Aurelia ihr zu einer vornehmen Schule geraten, doch leider waren die Pädagogen, die solche Schulen leiteten, von einer beklagenswerten Unabhängigkeit des Geistes und nahmen auch Jungen, die von niedrigerer Herkunft waren als ein Marcus Junius Brutus, auf — ja
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