MoR 04 - Caesars Frauen
sogar das eine oder andere intelligente Mädchen.
Bei einer Mutter wie Servilia mußte Brutus die Schule hassen, auch wenn Gaius Cassius Longinus, der Schulkamerad, den Servilia noch am ehesten akzeptierte, aus einer ebenso guten Familie stammte wie Junius Brutus. Doch Brutus tolerierte Cassius nur seiner Mutter zuliebe. Was verband ihn denn schon mit einem lauten und lebhaften Knaben wie diesem Cassius, der sich für den Krieg, für das Kämpfen und große Heldentaten begeisterte? Nur die Tatsache, daß er schon bald zum Lieblingsschüler des Lehrers aufgestiegen war, hatte Brutus mit der schrecklichen Plage der Schule ein wenig versöhnen können. Und mit Kerlen wie Cassius.
Es war ausgerechnet sein Onkel Cato, nach dessen Freundschaft er sich sehnte, aber Servilia tat alles, um jegliche Vertraulichkeit mit ihrem verhaßten Halbbruder im Keim zu ersticken. Sie wurde nicht müde, ihren Sohn daran zu erinnern, daß Onkel Cato der Abkömmling eines tusculanischen Bauern und einer keltiberischen Sklavin war, während sich in Brutus zwei Linien uralter Nobilität vereinten, die eine auf Lucius Junius Brutus zurückgehend, den Gründer der Republik, die andere auf Gaius Servilius Ahala. Auf gar keinen Fall durfte sich ein Junius Brutus, der durch seine Mutter auch patrizischer Servilius war, mit einem nichtsnutzigen Emporkömmling wie Onkel Cato zusammentun.
»Immerhin hat deine Mutter Onkel Catos Vater geheiratet und zwei Kinder von ihm bekommen, Tante Porcia und Onkel Cato!« hatte ihr Brutus bei Gelegenheit vorgehalten.
»Und damit für alle Zeiten Schande über sich gebracht!« hatte Servilia wütend erwidert. »Weder diese Verbindung noch ihre Nachkommenschaft habe ich jemals gebilligt, und auch du, mein Sohn, wirst das nicht tun!«
Ende der Diskussion. Und das Ende aller Hoffnungen, daß er Onkel Cato vielleicht doch häufiger zu sehen bekommen würde, als es dem Ansehen der Familie zuträglich war. Und dabei war Onkel Cato ein wunderbarer Mann! Ein richtiger Stoiker, der alten, asketischen römischen Lebensweise zugetan. Prunk und äußerer Schein waren ihm zuwider; er war schnell bei der Hand mit Kritik an der Großmannssucht von Männern wie Pompeius. Pompeius der Große. Auch so ein Emporkömmling ohne den richtigen Stammbaum! Pompeius, der Brutus’ Vater ermordet hatte, der seine Mutter zur Witwe gemacht und es einem Leichtgewicht wie diesem elenden Silanus ermöglicht hatte, in ihr Bett zu kriechen und mit ihr zwei dümmliche Mädchen zu zeugen, die Brutus nur mit großem Widerwillen als seine Schwestern akzeptierte.
»Worüber denkst du nach, Brutus?« fragte Julia lächelnd.
»Ach, über nichts Bestimmtes«, antwortete er vage.
»Du weichst mir aus. Sag die Wahrheit!«
»Ich habe darüber nachgedacht, was für ein toller Kerl Onkel Cato ist.«
Sie zog die Augenbrauen zusammen. »Onkel Cato?«
»Du kennst ihn nicht. Für den Senat ist er noch nicht alt genug. Er ist jünger als Mama.«
»War er es, der den Volkstribunen untersagt hat, eine Säule einzureißen, die ihnen in der Basilica Porcia den freien Blick versperrt hat?«
»Das war mein Onkel Cato«, erwiderte Brutus voller Stolz.
Julia zuckte die Achseln. »Mein Vater sagt, daß es dumm von ihm war. Die Volkstribune hätten sich ihr Hauptquartier bequemer einrichten können, wenn die Säule niedergerissen worden wäre.«
»Onkel Cato war im Recht. Cato der Zensor hat die Säule dort aufgestellt, als er Roms erste Basilica errichtete, und das mos maiorum verlangt, daß sie dort stehen bleibt. Cato der Zensor hat es den Volkstribunen gestattet, das Gebäude als Hauptquartier zu nutzen, weil er Verständnis für ihre Notlage hatte — weil sie nur von der Plebs gewählt werden, vertreten sie nicht das ganze Volk und dürfen deshalb keinen Tempel als Hauptquartier nehmen. Aber er hat ihnen nicht das ganze Gebäude gegeben. Sie dürfen nur einen Teil davon für ihre Zwecke verwenden. Damals waren sie ihm dankbar. Und jetzt wollen sie auf einmal verändern, was Cato der Zensor mit seinem Geld aufgebaut hat. Onkel Cato wird es nicht zulassen, daß jemand das Werk seines Urgroßvaters verunstaltet.«
Julia war von Natur aus friedlich und mochte keinen Streit, also lächelte sie wieder und drückte Brutus liebevoll den Arm. Ein verzogener Junge, dieser Brutus, dickköpfig und aufgeblasen, aber sie kannten sich nun schon so lange, und er tat ihr leid, auch wenn sie nicht genau wußte, warum. Möglicherweise, weil seine Mutter so... hinterhältig
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