Morbus Dei: Die Ankunft: Roman (German Edition)
ihm auf die Schulter.
Johann blickte ihn nachdenklich an.
„Was machst denn nur mit dem da?“, wollte Benedikt Riegler von Karrer wissen.
„Na was wohl? Er wird bei mir arbeiten“, entgegnete Karrer gereizt.
„Hast doch schon genug Knechte, Jakob!“, gab Riegler nicht auf. „Willst am End noch mehr haben als ich?“
„Mehr als du? Es ist Winter, ich hab im Moment nur den Albin und die Sophie. Ihr wisst’s selber, dass wir zu wenig Gesinde haben, und der heurige Winter wird der härteste seit Jahren.“
„Wenn du genug zu fressen hast für alle …“, bohrte Riegler weiter.
„Lass das meine Sorge sein und kümmer dich um deinen eigenen Kram!“ Karrer nahm einen Schluck Bier und knallte den Krug auf den Tisch. „Und jetzt lasst es gut sein.“
„Vielleicht sollten wir’s diesmal aber nicht gut sein lassen, Jakob.“ Franz Karrer hatte diese Worte ausgesprochen. Die anderen am Tisch blickten in alle Richtungen, nur nicht zu Jakob Karrer, der sich langsam und unheilvoll seinem Bruder zuwandte.
„Und warum nicht, werter Herr Bruder?“
Franz war blass geworden, aber er nickte. „Wir brauchen niemanden mehr im Dorf, das weißt so gut wie ich. Und schon gar keinen Fremden. Je weniger davon wissen, desto –“ Weiter kam er nicht. Jakob Karrer packte blitzschnell die Hand seines Bruders und drückte brutal zu, so fest, dass die Knöchel weiß wurden. Franz stieß einen leisen Schmerzensschrei aus, Karrer ließ ihn wieder los.
„Widerspruch steht dir nicht. Jetzt nicht und auch in Zukunft nicht, mein lieber Bruder.“
Franz rieb sich seine Hand, blieb aber stumm.
„Bruderzwist ist der Familie nicht gedeihlich“, sagte Kajetan Bichter salbungsvoll.
„Spart Euch die Predigt für Eure nächste Messe, Hochwürden.“ Für Karrer war das Thema damit abgeschlossen. Wo würde das denn hinführen, wenn man ihn am Wirtshaustisch in Frage stellte?
Er drehte sich um und blickte zum Gesindetisch hinüber. Finster betrachtete er Johann.
„So, da – euer Mus.“ Buchmüller stellte die große Pfanne, aus der es intensiv nach Butter und Schmalz roch, mit einem Krachen auf den Pfannenknecht, der mitten auf dem Tisch stand.
Albin grinste Johann an. „Hast Glück gehabt, dass du am ersten Sonntag im Monat aufgewacht bist – da wird beim Wirt gegessen.“ Er nahm einen Holzlöffel aus der Lade unter dem Tisch heraus, gab ihn Johann und holte noch einen.
Auch die anderen hatten ihre Löffel in der Hand, warteten aber noch mit dem Essen. An den übrigen Tischen wurde ebenfalls abgewartet – der ganze Raum blickte auf Kajetan Bichter, den Pfarrer. Der stand auf, räusperte sich in die Stille hinein, machte dann langsam ein Kreuzzeichen. Die anderen taten es ihm nach. Bichter begann ein Gebet zu murmeln, Johann musterte das Geschehen aus dem Augenwinkel. Wo die Not am größten, ist der Glaube am stärksten, das hatte er schon vielerorts beobachten können. Hier schien es aber von allem genug zu geben, gemessen an manch anderen Dörfern, trotzdem muckten nicht einmal die kleinsten Kinder bei dem langen Gebet auf.
Ein gemeinschaftliches
Amen
beendete das Ritual, und alle begannen zu essen.
Johann langte kräftig zu. Er blickte zum Tisch von Jakob Karrer, sah, wie der Bauer seine Zähne in ein saftiges Stück Fleisch schlug, in der Hand ein großes Stück knuspriges Brot. Dann wandte er sich kauend an Albin. „Die Herren geben uns ja das Beste ab und begnügen sich selbst nur mit dem Fleisch.“
Albin zuckte mit den Schultern. „Wo kommst du denn her? Weißt nicht, wie’s in Tyrol ausschaut, seit die Bayern durchgezogen sind? Sei froh, dass du überhaupt was kriegst.“ Er legte den Löffel weg, rülpste und strich sich über den Bauch. „Ah, das war nötig. Wirt! Noch zwei Bier!“
Nach dem Essen wurde es ruhig im Raum, die Stimmen waren gedämpft, auch Johann fühlte sich von der Wärme und dem einfachen, aber nahrhaften Mus schläfrig. Er blickte durch den Raum, dann zu Karrers Tisch in der Mitte. Die
Wichtigen
, wie Albin sie spöttisch genannt hatte, lungerten träge auf ihren Stühlen, die Augen geschlossen.
Nur einer blickte Johann durchdringend an – Kajetan Bichter, der Pfarrer. Johann hätte schwören können, dass Angst im Blick des Pfarrers lag. Angst vor ihm?
„Trinkst auch einen Schnaps mit, Johann?“ Albins Stimme klang herausfordernd.
Johann wandte sich wieder seinem Tisch zu. „Dank dir, den kann ich jetzt brauchen.“
Albin nickte zufrieden. „Buchmüller! Eine
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