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Morbus Konstantin: Ein Steampunk-Roman (German Edition)

Morbus Konstantin: Ein Steampunk-Roman (German Edition)

Titel: Morbus Konstantin: Ein Steampunk-Roman (German Edition)
Autoren: T. Aaron Payton
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sagte er und ordnete Tassen, Löffel und Zucker mit derselben Genauigkeit an, mit der er sonst die Maße für einen neuen Anzug nahm. „Wie geht es Ihnen?“
    „Sehr gut, danke.“
    „Führen Sie noch immer Ihre spitze Feder?“
    „Das tue ich in der Tat, Onkel“, sagte sie und gebrauchte die vertrauliche Anrede, die er ihr vor langer Zeit angeboten hatte. „Ihre Hilfe bei dem Artikel, den ich letztes Jahr geschrieben habe, war ein großer Segen für meine Karriere.“ Mr. James hatte sie mit einigen seiner Kunden bekannt gemacht, die bereit gewesen waren, von ihren Erfahrungen mit Morbus Konstantin zu erzählen. Natürlich nur unter der Voraussetzung, dass Anonymität gewahrt wurde. Ellie hatte auch mit den Angehörigen der Betroffenen gesprochen, mit Müttern, Vätern, Kindern, Ehemännern und Ehefrauen. Der daraus entstandene Artikel war eine große Sensation geworden, und aus den Recherchen hatte Ellie viel Überraschendes erfahren. Zwar hatte sie gewusst, dass einige illustre Persönlichkeiten der Krankheit erlegen waren – jeder wusste über Prinz Albert Bescheid, der nun als Strafe für seine Untreue im Tower saß, und nur wenige hatte Mitleid mit ihm. Aber sie hatte auch zwei Parlamentsabgeordnete, einen Professor aus Oxford und einen Richter interviewt, die alle erfolgreich ihre Verwandlung verborgen hatten. Sie war weniger verwundert gewesen, dass ihnen diese Täuschung gelungen war. Ihre Körper hatten nicht so offensichtlich weibliche Formen angenommen wie die manch anderer, und Mr. James ’ Können tat sein Übriges. Stattdessen hatte es sie vielmehr überrascht, zu erfahren, dass jeder dieser hochangesehenen Männer irgendwann einmal die Dienste einer Prostituierten in Anspruch genommen hatte, die ihn mit der Krankheit angesteckt hatte. Seitdem hatte sie sich einen gewissen Zynismus angewöhnt, der ihr in ihrer journalistischen Laufbahn gute Dienste geleistet hatte, obwohl er sie manchmal traurig stimmte.
    Wie man herausgefunden hatte, war die Krankheit von einem gebürtigen Engländer namens Orlando ausgegangen, der zeitweise in Konstantinopel gelebt hatte. Es wurde vielfach angenommen, dass die Krankheit dort ihren Ursprung hatte und sich möglichweise unter den Eunuchen entwickelt hatte, daher „Morbus Konstantinopolis“. Orlando selbst war ein häufiger Gast in den gehobenen Bordellen Londons gewesen, wo er mehrere Prostituierte angesteckt hatte. Von dort hatte die Krankheit sich bis in überraschend hohe Gesellschaftsschichten verbreitet. Orlando hatte das Land schon vor langer Zeit verlassen, was zu schade war. Das wäre ein Interview geworden!
    „Könnten Sie Ihre Wunder an mir wirken, Onkel?“, fragte Ellie und schob ihre Teetasse beiseite. „Könnten Sie mich in einen Mann verwandeln?“
    Er runzelte die Stirn. „Eleanor, ich helfe bereitwillig, die Verkehrung der Natur zu verbergen, doch Sie bitten mich, bei einem Betrug behilflich zu sein – warum möchten Sie, dass ich so etwas tue?“
    „Es ist für eine Geschichte“, sagte sie und wog ihre Worte sorgsam ab. Ihrem Onkel würde es nicht gefallen, dass sie eine verdeckte Exkursion in ein mechanisches Bordell plante. „Ich muss einen bestimmten Herrenclub betreten, ohne aufzufallen.“
    „Sie haben nicht vor, irgendeinen Ruf zu ruinieren, oder?“
    „Nein, Onkel, und keiner Ihrer … besonderen Kunden … hat damit zu tun.“ Zumindest das entsprach wohl der Wahrheit. Sie stand auf und drehte sich. „Was meinen Sie? Können Sie einen Mann aus mir machen?“
    Er grunzte. „Ich glaube schon. Es gibt, ähm, gewisse Stoffwickel, die wir für Ihre …“, er zeigte vage auf seinen eigenen Oberkörper. „Ihre Hüften sind recht schmal. Ich habe einige Hosen, die Ihnen passen könnten, und Hemd und Weste. Glücklicherweise ist weite Kleidung derzeit in Mode. Ein falscher Schnurrbart noch … aber das Haar, Eleanor.“ Er schüttelte den Kopf. „Meine besonderen Kunden tragen natürlich Männerhaarschnitte, doch Sie …“
    Eleanor berührte ihr Haar, das sie im Moment nach hinten gekämmt und in einem festen Knoten hochgesteckt trug. Wenn es nicht zusammengebunden war, fiel es ihr bis über die Schultern. „Dann schneide ich es eben ab“, meinte sie nach kurzem Nachdenken. „Bis es wieder nachgewachsen ist, trage ich eine Perücke, und ich habe eine Fanchon-Haube, die meinen Hinterkopf ohnehin fast vollständig bedeckt.“
    „Ist Ihnen die Geschichte so wichtig, meine Liebe?“
    „Das ist sie in der Tat, Onkel, und ich
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