Head over Heels - Gaby Band 1 (German Edition)
1. Kapitel
„Champagner“, flöte ich mit einer Magnumflasche des prickelnden Getränks in meiner Hand.
Ilka strahlt über das ganze Gesicht, klatscht in die Hände und wippt im Takt des Geburtstagsständchens mit. Wir geben unser Bestes, kümmern uns nicht darum, dass wir in einem Hausflur stehen, und grölen aus vollem Halse. Die Jungs sind lauter als ich.
Mir fällt es aber dank der zahlreichen Jägermeister, die wir uns im Taxi hierher gegönnt haben, leichter, sie zu übertrumpfen. Ich stehe zwischen ihnen, halte die Champagnerflasche weiterhin in der Hand und alle setzen wir zum Grande Finale an. Ich kann mich nicht zwischen Lachen und Singen entscheiden, was ich Ben zu verdanken habe, der neben mir Faxen macht und sich beherzt an die Brust fasst, ehe er vor meiner besten Freundin kurz auf die Knie sinkt. Unser Chor hat sich in einen wilden Haufen verwandelt, mir laufen Tränen über die Wangen und während meine Kollegin versucht, die Tonlage zu halten, biegt Ben Ilka nach hinten durch. Er kommt zu mir zurück, schlingt den Arm wieder um meine Taille und streicht liebevoll über meinen Rücken. Ich gerate wieder in diesen Raum, den ich nur unschwer benennen kann – nein, es ist nicht Liebe, wie ich mich schnell korrigiere. Seltsam schüchtern erwidere ich seinen Blick, ehe er mir – völlig untypisch für ihn – zuzwinkert.
Eigentlich würde man Schüchternheit und mich nicht gerade in einem Atemzug nennen. Immerhin verbringe ich mein halbes Leben auf der Bühne. Treibe dort Dinge vor den Aug en anderer, die ich zweifellos im normalen Leben niemals machen würde. Ich lebe fürs Theater. Investiere jedes Pfund, um mich immer weiter zu verbessern, damit ich den Wünschen des Publikums, aber auch meinen eigenen Ansprüchen gerecht werde. Wobei Letztere nahezu unerreichbar sind. Ich bin Perfektionistin, leidenschaftliche Nörglerin, wenn es um mich selbst geht, und schaffe es innerhalb einer Minute, alle meine in mich selbst gesetzten Erwartungen aufzugeben. Vor allem dann, wenn ich nervös bin.
Die Rolle soll dich ganz ausfüll en und du sollst mit ihr leben, schlafen und – verdammt – sie soll dich schwängern, tönte zuletzt mein Coach, der eine steile Karriere hingelegt hat. Ich bin fast zu alt, um noch auf mehr zu hoffen, als auf das, was ich im Moment besitze – eine fixe Rolle, aber nicht die der Hauptdarstellerin.
F rauen haben es wirklich schwer. Ich habe zwar nie gedacht, dass ich so etwas jemals behaupten würde, doch sieben Jahre in diesem Geschäft haben mir gezeigt, wie steinig der Weg für meine Geschlechtsgenossinnen über dreißig ist. Man ist zu alt für junge, frische Rollen, aber zu jung, um die böse Stiefmutter zu geben. Meist befindet man sich in einem Schwebezustand. Hofft, wartet und betet, dass es weitergeht. Der Konkurrenzkampf ist hart. Nicht nur hier in London, auch in anderen Städten, wie ich während meiner Reise nach Prag festgestellt habe.
V or geraumer Zeit habe ich mit dem Gedanken gespielt, es in einer anderen Stadt zu probieren. Einfach mal wegzugehen und mich neu zu entfalten. Denn es drückt. Nicht nur London, nicht nur meine derzeitigen Probleme, nicht nur mein Job. Ich fühle mich, als würde die Decke über mir immer näher kommen. Mir fehlt der Elan, morgens aufzustehen. Ich weiß auch nicht, was mit mir los ist, doch ich bin unzufrieden mit meinem Leben. Ob es dieses Kartenhaus ist, das gerade zusammenbricht, wobei ich ohnedies zu sehr in Gedanken versunken bin, um auf die Katastrophe aufmerksam zu werden und rechtzeitig wegzulaufen. Der Lärm ist gewaltig, nicht nur in mir drinnen, auch außerhalb. Seitdem sich meine Eltern getrennt haben, wird meine Familie geradezu belagert. Die Presse, die ich verabscheue, die mir noch nie wohlwollend begegnet ist, hat es auf mich abgesehen. Die letzten Tage glichen einem Spießrutenlauf. Jede noch so kleine Besorgung wurde zur Tortur. Erst allmählich kann ich wieder aus dem Haus gehen, ohne hinter jeder Ecke einen lästigen Reporter vermuten zu müssen. Und ja, auch da half mir meine Arbeit. Ich konnte flüchten, konnte abschalten und mich in ein anderes Leben träumen.
Natürlich würde ich solche Probleme nie laut aussprechen. Wenn überhaupt, dann lediglich meiner besten Freundin Ilka gegenüber. Zeigt man Schwäche, wird man aufgefressen, nicht nur im Privatleben, auch in meinem Job. Bringt man nicht die gewünschte Leistung, wird man innerhalb einer Woche durch jemand anderen
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