Mord am Niddaufer - ein Kriminalroman
geschmeichelt. Zum anderen hatte sie Angst, an einen Verrückten zu geraten.“
„Verrückt?“
„Naja, man liest doch immer wieder von reifen Männern, die jungen Mädchen hinterherhecheln.“
„Wissen Sie, ob Lea ein Date mit von Lichtenhagen hatte?“
„Nicht, dass ich wüsste. Sie haben einmal zusammen einen Kaffee getrunken. Ob da mehr war, weiß ich nicht.“
„Vielen Dank, Herr Hoffmann.“ Bohlan erhob sich. „Sie haben uns sehr geholfen.“
„Wir haben doch sicher Klaus von Lichtenhagens Personalien aufgenommen, oder?“, fragte Bohlan, als sie wieder im Kommissariat waren. Er begann, hektisch die Akten zu durchwühlen.
„Klar haben wir das. Ich habe die Kopie seines Ausweises auf meinem Rechner“, antwortete Will.
„Lass sehen.“ Bohlan eilte zu Wills Schreibtisch.
„Hab ich es mir doch gedacht. Mann, warum ist uns das nicht längst aufgefallen? Schau mal hier.“ Bohlan deutet auf die Zeile mit dem Geburtsort. „Er kommt auch aus Mittelhessen. Würde mich nicht wundern, wenn auch er in einem Verhältnis zu der Clique von damals steht. Komm!“
Klaus von Lichtenhagen saß regungslos auf dem Stuhl, beide Hände auf die Knie gestützt. Bohlan wedelte mit zwei Fotos und legte sie nebeneinander auf den Tisch.
„Marie Kilb und Lea Schuster. Zwei Mädchen mit einer besonderen Ausstrahlung. Zwei Mädchen, die sich nie kannten, die aber ein gemeinsames Schicksal verbindet.“ Der Kommissar machte eine Pause, um die Bilder besser wirken zu lassen. Von Lichtenhagens Gesicht war starr wie Stein, doch seine Augen wurden feucht.
„Sie liefen dem falschen Mann über den Weg, das war ihr Verhängnis.“
Von Lichtenhagen betrachtete wortlos die Bilder. Als Bohlan sich räusperte, erwachte er aus der Lethargie.
„Sie haben recht.“ Er nahm Marie Kilbs Foto in die Hand und betrachtete es. „Sie war das schönste Mädchen im Dorf. Alle waren hinter ihr her und sie wusste es. Sie kokettierte damit und spielte einen gegen den anderen aus. Als sie sich mit mir einließ, war ich der glücklichste Mensch auf Erden. Wir waren schon ein paar Wochen zusammen, als ich merkte, dass ich nicht der Einzige war. Es war purer Zufall, dass ich es herausfand, und es traf mich wie ein Degenstoß. Ich erwischte sie in einer Scheune. Beim Vorbeifahren hatte ich ihr Fahrrad davor stehen gesehen. Ich schlich hinein und musste ansehen, wie sie es miteinander trieben, musste hören, wie sie seinen Namen hauchte und vor Lust stöhnte. Und als sie fertig waren, lästerte sie sogar über mich. Fischer hingegen zog sich schnell an und verließ die Scheune. Für ihn war Marie nur ein Spielzeug. Marie blieb noch einen Moment liegen, bevor sie sich anzog und aufstand. Ich war so wütend auf sie. Ich schlich mich lautlos von hinten heran. Als sie die Leiter hinabstieg, die vom Heuboden nach unten führte, trat ich ihr von oben auf die Finger. Im gleichen Moment schrie von unten jemand und rüttelte an der Leiter. Marie taumelte, stürzte die Leiter hinunter. Ich wich schnell zurück und beobachtete das weitere Geschehen aus meinem Versteck. Unten stand Annette. Sie schrie und rüttelte an Marie, die reglos auf dem Boden lag. Irgendwann schien sie zu realisieren, dass Marie tot war, und dann begann ein Schauspiel, das ich mein Leben lang nicht vergessen werde. Annette zerlegte Marie regelrecht in ihre Bestandteile und transportierte diese mit ihrem Roller ab. Als ich mich, zwischen zwei Fuhren, dazu entschied, das Weite zu suchen, tauchte plötzlich Michael Pergande auf. Weiß der Himmel, wo der plötzlich her kam. Er sah die zerstückelte Marie auf dem Boden liegen, schaute sie einige Minuten an, dann nahm er ihren Kopf, den Annette bereits vom Hals abgetrennt hatte, hob ihn hoch und drückte seine Lippen auf die der Toten. In diesem Moment musste ich mich übergeben. Pergande machte sich mit dem Kopf auf und davon. Gerade noch rechtzeitig bevor Annette zurückkam. Für sie muss es auch ein ziemlicher Schock gewesen sein, als sie das Fehlen des Kopfes bemerkte.“
Von Lichtenhagen machte eine Pause.
„Und dann haben Sie sich an Annette herangemacht“, stellte Bohlan fest.
„So würde ich es nicht bezeichnen. Wir sind uns in den folgenden Monaten näher gekommen. Das Schicksal hat uns zusammengeführt.“
„Haben Sie jemals über diese Vorfälle miteinander gesprochen?“
„Ja und nein. Sie hat mir später davon erzählt, aber ich habe ihr niemals gesagt, dass ich auch vor Ort war. Aber ich habe mich natürlich
Weitere Kostenlose Bücher