Mord au chocolat
sieht …
»Ja. Hast du, eh, schon Pläne für den Sommer?«
»Meinst du ein gemeinsames Wochenende oder so?« Will er wissen, ob ich die halbe Miete für ein Ferienhaus an der Küste zahlen würde? Also, das wäre peinlich. Ich bin kein Strandmädchen. Denn am Strand trägt man Badeanzüge. Da müsste ich einen Sarong drum herum wickeln, was eine weitere Peinlichkeit auf gesellschaftlicher Ebene wäre, wenn alle Leute fragen: Wann legst du deinen Badeanzug ab und gehst mit uns ins Wasser?
»Nein, ich meine, könntest du dir ein paar Wochen freinehmen?«
»Das weiß ich nicht«, sage ich langsam. Ein paar Wochen am Strand? Soll ich einen total entstellenden Hitzeausschlag vorschützen, damit ich den Sarong wochenlang nicht abnehmen muss? »Seit ich den Job habe, ist nur eine Urlaubswoche zusammengekommen.« Würde
er mir glauben, wenn ich behaupte, ich sei gegen Sandflöhe allergisch?
»Das wird länger dauern«, murmelt er, und seine Hand gleitet weiter hinunter. »Wie wär’s mit einer Freistellung? Meinst du, das ist möglich?«
»Ich könnte fragen …« Was ist eigentlich los? Was da unten los ist, weiß ich. Aber was geht im Kopf meines Freundes vor? Das klingt nicht nach einem Wochenende am Strand, sondern … Keine Ahnung. »Wie lange soll ich mir freinehmen? Und wovon redest du? Von einem Geländelauf quer durch die Staaten?«
Tad grinst. »Nicht direkt. Vergiss es. Das wollte ich dich fragen, wenn das Timing richtig ist. Im Augenblick ist das Timing sicher nicht richtig.«
Also, nach meiner Ansicht ist das Timing genau richtig, allerdings für was anderes, nämlich für fabelhaften Spaß.
Trotzdem bin ich ein bisschen verwirrt. Was will er mich fragen, wenn das Timing okay ist? Warum müsste ich mir im Sommer mehrere Wochen freinehmen?
Hmmm – was – nein …
Unmöglich. Wir sind erst seit drei Monaten zusammen. Andererseits, heute Morgen war ich mit ihm joggen. Wenn das kein Zeichen für eine festere Beziehung ist, dann weiß ich’s auch nicht. Nun, es sind die kleinen Dinge im Leben, die zählen.
Später, im Rückblick, wird’s mir komisch vorkommen, nicht amüsant, sondern seltsam. Im selben Moment will mein neuer Boss den ersten Schluck von seinem Morgenkaffee nehmen.
Und stirbt.
2
Dick bist du nicht, und wenn du fit wirst,
Darfst du wieder richtig essen.
Und du solltest deinen Erfolg
Nicht mit dem Maßband messen.
Heather Wells
Als ich nach dem Frühstück ins Büro gehe, fühle ich mich großartig. Klar, okay – Pete, der Sicherheitsbeamte, kichert über meinen lässigen Abschied von Tad, bevor er das Haus verlässt. Ich: »Bye.« Er: »Bis später.« Ich glaube, inzwischen wissen einige Angestellte vom New York College über uns Bescheid. Ganz sicher Magda, die unsere feuchten Haare sieht – ich muss einen Föhn kaufen, den ich in seinem Apartment deponiere, bei meinen Kleidern zum Wechseln im einzigen Schubfach, das er mir so großzügig zur Verfügung gestellt hat – und sich ein Grinsen nicht verkneifen kann.
Wie auch immer, niemand wird irgendwem was erzählen. Aber wir sollten vorsichtiger sein, wenn wir in der Cafeteria frühstücken. Wenn einer von Tads Studenten eines Morgens zufällig reinkommt und sieht, wie wir uns eine halbe Grapefruit teilen …
Die einzige Person, vor der ich mich wirklich hüten muss, was Tad angeht, ist mein neuer Boss, Dr. Owen Veatch – Dr. phil. Owen wurde zusätzlich zu seinem Posten als Ombudsmann des Präsidentenbüros zum Interimsleiter der Fischer Hall ernannt. Derzeit findet eine landesweite Suche nach einem geeigneten permanenten Ersatz für Tom statt, meinen früheren Boss, der befördert wurde.
Eigentlich sollte man meinen, es wäre nicht so schwierig, jemanden zu finden, der ein Studentenwohnheim mit siebenhundert Betten leitet, pro Jahr dreißig Riesen kriegt und umsonst in Greenwich Village wohnen kann. Da muss man die höchsten Mieten vom ganzen Land zahlen.
Aber erstaunlich wenige Kandidaten wollen hier arbeiten, seit innerhalb von nur neun Monaten mehrere Leute in diesem Haus ermordet wurden. Das hat der Fischer Hall den Spitznamen »Todeshalle« eingebracht. Eine wahre Schande, denn sie ist wirklich fantastisch, eines der größten Gebäude am Washington Square Park, und sie erstrahlt immer noch im Glanz des neunzehnten Jahrhunderts, mit Marmorböden und Kaminen. Richtig grandios. Abgesehen davon, dass die meisten Räume in zwei Schlafzimmer mit einem Bad unterteilt wurden, wobei in jedem Raum drei
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