Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Mord auf der Leviathan

Mord auf der Leviathan

Titel: Mord auf der Leviathan Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Boris Akunin
Vom Netzwerk:
ihr mich so? Was habe ich euch getan? Die Hand der Märtyrerin glitt zum Bauch, das Gesicht verzerrte sich leidend.
    »Aber nicht in Ohnmacht fallen«, riet Fandorin ihr kaltblütig. »Das beste M-mittel zur Wiedererweckung ist eine Gesichtsmassage durch Backpfeifen. Und tun Sie nicht, als wären Sie schwach und hilflos. Doktor Truffo und Doktor Aono sind überzeugt, daß Sie gesünder sind als ein B-büffel. Setzen Sie sich, Sir Reginald!« Fandorins Stimme klang wie Stahl. »Sie können später für Ihre Dame eintreten, wenn ich fertig bin. Übrigens, meine Damen und Herren, unserem Sir Reginald haben wir alle für die Rettung unseres Lebens zu danken. Ohne seine ungewöhnliche Gepflogenheit, alle drei Stunden die Koordinaten des Schiffs zu überprüfen, würde das heutige Frühstück nicht hier stattfinden, sondern auf dem M-meeresgrund. Und gefrühstückt würden wir.«
    »›Wo ist Polonius?‹« sagte der Baronet und lachte schallend. »›Beim Nachtmahl. Nicht wo er speist, sondern wo er gespeist wird.‹ Lustig.«
    Clarissa krümmte sich fröstelnd. Gegen die Bordwand des Schiffs schlug eine besonders schwere Welle, auf dem Tisch klirrte das Geschirr, und der ungefüge Big Ben schwankte wieder hin und her.
    »Die Menschen sind für Sie Statisten, Madame, und Statisten haben Ihnen noch nie l-leid getan. Besonders wenn es um fünfzig Millionen Pfund geht. Da ist schwer zu widerstehen. Der arme Coche, zum Beispiel, hat gezaudert. Wie plump er den Mord ausgeführt hat, unser Meister der Fahndung! Sie haben natürlich r-recht – der unglückliche Regnier hat nicht Selbstmord begangen. Ich wäre auch selbst darauf gekommen, aber Ihre offensive Taktik hat mich eine Zeitlang irregeführt. Allein schon der ›A-abschiedsbrief‹! Der klingt überhaupt nicht nach Abschied – Regnier hoffte noch Zeit zu gewinnen, als Verrückter durchzugehen. Hauptsächlich aber hat er auf Sie gebaut, Madame Sansfond, er hat Ihnen ganz und gar v-vertraut. Coche hat seelenruhig von der dritten Seite die Hälfte abgeschnitten, genau an der Stelle, die nach seiner Meinung am meisten nach einem Abschluß klang. Wie plump! Unser Kommissar war ganz vernarrt in den Schatz von B-brahmapur. Was Wunder – sein Gehalt für dreihunderttausend Jahre!« Fandorin lachte traurig auf. »Erinnern Sie sich, mit welchem Neid Coche von dem Gärtner erzählte, der einem Bankier so vorteilhaft seine makellose Reputation verkaufte?«
    »Abel wozu mußte el Helln Legnier elmolden?« fragte der Japaner. »Das Tuch ist doch velblannt.«
    »Regnier versuchte dies dem Kommissar weiszumachen und gab, um ihn zu überzeugen, sogar das Geheimnis des Tuches preis. Aber Coche glaubte es nicht.« Fandorin machte eine Pause und fügte hinzu: »Und er hatte recht.«
    Im Salon herrschte Totenstille. Clarissa, die gerade eingeatmet hatte, vergaß auszuatmen. Sie begriff nicht gleich, warum sie plötzlich solch eine Last in der Brust hatte, besann sich – und atmete aus.
    »Das Tuch ist also heil?« fragte der Doktor behutsam, als fürchte er, einen seltenen Vogel aufzuscheuchen. »Aber wo ist es?«
    »Dieser Fetzen dünne Seide hat heute morgen dreimal den Besitzer gewechselt. Zuerst war es bei dem verhafteten Regnier. Der Kommissar glaubte dem Brief nicht, durchsuchte den Gefangenen und fand das T-tuch. Und da, diesen plötzlichen Reichtum in seiner Hand haltend, drehte er durch und verübte den Mord. Er konnte der Versuchung nicht widerstehen. Wie günstig alles gekommen war: Im Brief stand, das Tuch wäre verbrannt, der Mörder hatte alles zugegeben, das Schiff fuhr nach Kalkutta, und von dort war es ein Katzensprung nach Brahmapur! Da spielte Coche va banque. Er schlug dem nichtsahnenden Häftling etwas Schweres auf den Kopf, machte in Eile einen Selbstmord daraus und kam hierher in den Salon, um zu warten, bis der Posten die Leiche entdeckte. Aber nun trat Madame Sansfond in das Spiel ein, und sie trickste den Polizisten aus und auch mich. Sie sind eine beeindruckende Frau, Madame!« sagte Fandorin zu ihr. »Ich hatte erwartet, Sie würden sich zu rechtfertigen versuchen und alles Ihrem Komplizen in die Schuhe schieben, zumal er tot ist. Das wäre so ei-einfach gewesen! Doch nein, Sie gingen anders vor. An dem Benehmen des Kommissars konnten Sie ablesen, daß er das Tuch hatte, und Sie dachten nicht an Verteidigung, nein! Sie wollten den Schlüssel zu dem Schatz zurück, und Sie bekamen ihn zurück!«
    »Warum muß ich mir eigentlich diesen ganzen Unfug anhören?«

Weitere Kostenlose Bücher