Mord im Atrium
Zeit dort drinnen. Ich schwitzte. Lakaien warteten ungeduldig darauf, in die Mittagspause verschwinden zu können. Unsere Angelegenheit war eindeutig die einzige, die man Titus heute Morgen aufgehalst hatte. Sie könnte rasch und ohne größere Umstände abgewickelt werden. Ich munterte mich mit dem Gedanken auf, falls Berenike wirklich nach Judäa zurückgeschickt worden war, würde Titus während der Feiertage keine Verpflichtungen haben und könnte Arbeit begrüßen.
Blödsinn, Falco. Niemand will arbeiten, wenn ganz Rom in Spiellaune ist. Titus würde lieber den ganzen Tag allein würfeln, statt im Büro festzuhängen.
Als ich mich gerade bereitmachte, an den Lakaien vorbeizustürmen und in die Audienz hineinzuplatzen, wurde die Sache noch kniffliger. Es musste sich bis zum Büro des Oberspions herumgesprochen haben, dass hier etwas im Gange war. Plötzlich erschien Anacrites und verlangte, dass wir den Tragestuhl entluden und ihm Veleda übergaben.
Im selben Moment schwangen zehn Fuß hohe Doppeltüren mit goldenen Griffen leise auf, und die Frauen kamen wieder heraus. Titus begleitete sie formvollendet hinaus. Das Purpur stand ihm immer gut zu Gesicht, und heute trug er zusätzlich noch einen extra großen Saturnalienkranz auf dem Haupt. Sein Haar, normalerweise kurzgeschoren, hatte er zu langen Zotteln wachsen lassen als Zeichen seines gebrochenen Herzens über den Verlust von Berenike, aber ein aufmerksamer Leibdiener hatte sich dennoch die Mühe gemacht, den Kranz recht keck auf den lockigen Mopp zu drücken.
»Du hast das Spiel verloren. Händige sie aus, Falco!«, befahl der Spion, riss die Halbtür auf und begann Veleda aus dem Tragestuhl zu zerren.
Die eisige Stimme der ältlichen Vestalin ließ ihn erstarren. »Tiberius Claudius Anacrites, lassen Sie die Frau augenblicklich los!«
Titus Cäsar hatte einen Blick für schöne Ausländerinnen. Ich sah, wie er die Priesterin sofort eindringlich musterte. Während sie sich aus dem groben Griff des Spions befreite, schätzte sie den kaiserlichen Prinzen, der über ihr Schicksal entschied, rasch ein. Angesichts ihres Rufes enthielt sich Titus jeder Liebäugelei, neigte jedoch seinen Kopf höflich so weit, wie es sein schwerer Kranz erlaubte. Vielleicht sah Veleda hoffnungsvoller in die Zukunft, doch ich erkannte, dass sie Titus für ein typisches sexuell unersättliches römisches Mannsbild hielt. Hinter dem Rücken aller zwinkerte Helena mir zu.
Ihre Mutter hatte es bemerkt und gab Helena einen Klapps aufs Handgelenk.
Die Vestalin hatte das Sagen. »Sie werden in ein Heiligtum bei Ardea geschickt«, teilte sie Veleda mit. Dreißig Meilen von Rom entfernt, lag Ardea nahe genug, um überwacht werden zu können, doch auch fern genug, sicher zu sein. Ich meinte mich zu erinnern, dass es schon vorher als Exil für politische Gefangene gedient hatte. »Ihr Leben wird verschont werden. Sie werden dort bis an Ihr Lebensende die Tempel putzen.«
Veleda fuhr hoch. Helena griff nach ihrer Hand und murmelte rasch: »Verschmähen Sie diese Ehre nicht. Haushälterin der Götter zu sein ist eine würdige Tätigkeit. Diese Rolle fällt traditionell der Vestalin und ihren Kolleginnen zu. Es ist weder beschwerlich noch erniedrigend.«
Titus trat vor. »Diese drei edlen Frauen – Helena Justina, Julia Justa und Claudia Rufina – haben sich in sehr bewegender Weise für Sie eingesetzt, Veleda. Die Vestalinnen, die Sie als eine Schwester betrachten, unterstützen Sie. Rom ist erfreut, ihr Gnadengesuch anzunehmen.«
Ich trat vor. Weiter hinten sah ich Claudius Laeta herumstehen. Mit Justinus an meinem Ellbogen fragte ich formell: »Seherin, Helena Justina hatte versprochen, sie würde ihr Bestes für Sie tun. Nehmen Sie diese Bedingungen an? Werden Sie Ihr Lebensende friedlich in Ardea verbringen?«
Veleda nickte schweigend.
Dann vollendeten Justinus und ich formell meinen Auftrag. Wir händigten Veleda der kaiserlichen Aufsicht aus. Sie aufzugeben musste Justinus genauso schwergefallen sein wie Claudia die Teilnahme an der Unterbreitung des Gnadengesuchs. Ich hatte darauf bestanden, dass Justinus mich in seiner üblichen Rolle als mein Assistent begleitete. Ich hoffte, dass er dadurch das kaiserliche Wohlwollen wiedergewann. Vielleicht würde es sogar seine Frau beeindrucken. Wir wussten, Claudia würde es zu einer Bedingung ihrer Ehe machen, dass er sich niemals in die Nähe von Ardea begab. Soweit ich weiß, versprach Quintus ihr das und hielt sich auch
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