Mord im Atrium
haben«, höhnte Claudia. »In Rom betrachten wir Kriegstreiberei als ein wenig zu unweiblich.«
»Ihre Frauen klingen recht schwachbrüstig!«, gab Veleda giftig zurück.
»Oh, wir Baeticanerinnen wissen zu kämpfen.«
»Dann ist es aber erstaunlich, dass Sie trotzdem die Einnahme Ihres Landes zugelassen haben.«
Helena und Julia trennten die beiden.
Der Senator trug große Schüsseln mit Nüssen herein. Dann, als die Mandeln und Nüsse zu fliegen begannen, schloss sich uns ein unerwarteter Gast an. Die Ausgelassenheit war auf dem Höhepunkt, was die plötzliche Stille noch dramatischer machte. Die fröhlichen Sklaven lehnten sich zurück und dachten: He, he, jetzt fängt das Fest erst richtig an!
In der Tür stand Quintus Camillus Justinus. Er hatte das Aussehen jedes schlafmützigen Sohnes, der gerade nach Hause gekommen ist und dem langsam dämmert, dass seine Mutter ihn dreimal daran erinnert hat, die Saturnalienfeier finde heute statt. Er lebte hier, der nichtsnutzige Sohn des Hauses – verschwollene Augen, zerknitterte Tunika, die seit Tagen nicht gewechselt worden war, stoppeliges, sogar noch länger nicht mehr rasiertes Kinn, glanzlose ungekämmte Haare, schlaksig und entspannt.
Seinem Gesichtsausdruck entnahm ich, dass ihm noch niemand erzählt hatte, Veleda sei hier.
Erstaunlicherweise schien er nüchtern zu sein. Leider hatten sowohl Claudia als auch Veleda eine Menge Wein intus.
LXII
E inen Moment lang standen alle wie vom Donner gerührt da. Justinus war entsetzt, die Frauen hielten sich natürlich besser.
Justinus richtete sich auf. Veleda hatte ihn zuletzt in einer schmucken Tribunsuniform gesehen, fünf Jahre jünger und auf jede Weise frischer. Jetzt wirkte sie verblüfft über seine lässige Häuslichkeit. Er sprach die Seherin förmlich an, wie er es zuvor in den Tiefen ihres Waldes getan hatte. Was auch immer er sagte, blieb uns auch diesmal verborgen, da er die keltische Sprache benutzte.
»Ich spreche Ihre Sprache!«, wies Veleda ihn unweigerlich zurecht, mit demselben Stolz und derselben Verachtung, mit denen sie damals unserem Trupp entgegengetreten war – die kosmopolitische Barbarin, die es den unrühmlichen Imperialisten zeigte, diesen Holzköpfen, die sich nicht mal bemühten, mit denen zu kommunizieren, in deren Gebiet sie eingefallen waren. Ein guter Trick, aber ich hatte ihn satt.
Er starrte sie an und nahm in sich auf, dass sie durch Zeit, Lebensumstände und die Verzweiflung über ihre Gefangennahme so viel mitgenommener aussah. Veledas Augen waren hart. Mitleid ist das Letzte, was eine Frau von einem gutaussehenden Liebhaber braucht. Quintus musste sich bereits geistig damit auseinandergesetzt haben, dass die Liebe seiner Jugend dazu verdammt war, rituell auf dem Kapitol hingerichtet zu werden. Würde er der römischen Welt den Rücken zukehren, und wenn ja, würde er etwas wirklich Dämliches tun? Wir sahen, dass es ein Schock für ihn war, der Seherin hier in seinem Zuhause zu begegnen, ganz leicht schwankend vom römischen Wein in dem Becher, den sie unbewusst noch immer umklammert hielt – ein kleiner silberner Becher, den Justinus schon seit Kinderzeiten kennen musste, aus dem er wahrscheinlich oft genug selber getrunken hatte. Er fand sie im Kreise seiner Familie vor, seiner Eltern, seiner Schwester, seiner Frau und seines kleinen Sohnes. Er konnte nicht wissen – zumindest noch nicht –, wie angespannt die Situation hier gewesen war.
In der Stille begann sein Sohn zu krähen. »Ja, das ist Papa«, säuselte Claudia und tätschelte den flaumigen kleinen Kopf. Ich fragte mich, ob jemand Quintus schon erzählt hatte, dass ein Bruder oder eine Schwester unterwegs war. Der kleine Junge streckte die Arme nach seinem Vater aus. Die traditionelle goldene Bulla, die sein Onkel Aelianus ihm zur Geburt geschenkt hatte, baumelte gegen die weiche Wolle seiner winzigen Tunika. Er war ein zauberhaftes, ganz entzückendes Kind.
Sofort wandte sich Quintus, dieser große Gefühlsmensch, ihm zu und lächelte. Claudia trieb den Rammbock ins Ziel. »Wir wollen doch Papa nicht belästigen. Papa will uns nicht, Liebling!« Obwohl sie angesäuselt war, legte sie einen ihrer gut geübten stolzierenden Abgänge hin und verschwand in ihr Königreich, das Kinderzimmer. Dort angekommen, wären manche Frauen in Tränen ausgebrochen. Claudia Rufina war aus härterem Holz geschnitzt. Ich hatte ihr in vergangenen Augenblicken der Entscheidungsfindung und Verängstigung
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