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Mord im Orientexpress

Mord im Orientexpress

Titel: Mord im Orientexpress Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Agatha Christie
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Poirot. Ich möchte Sie gern für einen Auftrag engagieren.»
    Hercule Poirot zog kaum merklich die Augenbrauen hoch.
    «Meine clientèle, Monsieur, ist inzwischen sehr begrenzt. Ich übernehme nur noch ganz wenige Fälle.»
    «Gut, das verstehe ich natürlich. Aber dieser Fall bedeutet Geld, Mr. Poirot.» Und mit seiner leisen, beschwörenden Stimme fügte er an: «Viel Geld.»
    Hercule Poirot war eine Weile still, dann fragte er: «Um was für ein Anliegen handelt es sich denn, Monsieur – äh – Ratchett?»
    «Mr. Poirot, ich bin ein reicher Mann – sehr reich. In dieser Position hat man Feinde. Ich habe einen Feind.»
    «Nur einen?»
    «Was wollen Sie damit sagen?», fragte Ratchett scharf zurück.
    «Monsieur, wenn ein Mann in einer Position ist, in der man, wie Sie sagen, Feinde hat, dann handelt es sich nach meiner Erfahrung meist nicht nur um einen Feind.»
    Ratchett schien ob dieser Antwort erleichtert. Er sagte rasch: «Gut, da muss ich Ihnen Recht geben. Feind oder Feinde – darauf kommt es nicht an. Worauf es ankommt, ist meine Sicherheit.»
    «Sicherheit?»
    «Mein Leben wurde bedroht, Mr. Poirot. Nun gehöre ich ja eigentlich zu denen, die ganz gut auf sich selbst aufpassen können.» Er nahm eine kleine Pistole aus der Jackentasche und ließ sie Poirot eine Sekunde lang sehen. Dann fuhr er mit grimmiger Miene fort: «Ich glaube, einen wie mich überrumpelt man nicht so leicht. Aber bei näherem Hinsehen würde ich mich doch gern doppelt versichern. Ich denke, Sie wären der richtige Mann für mein Geld, Mr. Poirot. Und nicht vergessen – viel Geld.»
    Poirot betrachtete ihn eine Weile nachdenklich. Seine Miene war völlig ausdruckslos. Der andere hätte im Leben nicht erraten können, was in seinem Kopf vorging.
    «Bedaure, Monsieur», sagte er schließlich. «Ich kann Ihnen nicht dienen.»
    Der andere sah ihn listig an.
    «Dann nennen Sie mir Ihre Summe», sagte er.
    Poirot schüttelte den Kopf.
    «Sie verstehen mich falsch, Monsieur. Ich war in meinem Beruf sehr erfolgreich. Ich habe genug Geld verdient, um sowohl meine Bedürfnisse als auch meine Launen zu befriedigen. Ich übernehme nur noch Fälle, die – mich interessieren.»
    «Sie sind ein harter Brocken», sagte Ratchett. «Könnten zwanzigtausend Dollar Sie interessieren?»
    «Nein.»
    «Wenn Sie den Preis hochtreiben wollen – mehr bekommen Sie nicht. Ich weiß, was mir eine Sache wert ist.»
    «Ich auch – Monsieur Ratchett.»
    «Was gefällt Ihnen an meinem Angebot nicht?»
    Poirot erhob sich.
    «Wenn Sie mir die Freimütigkeit verzeihen, Monsieur Ratchett – mir gefällt Ihr Gesicht nicht», antwortete er.
    Und damit verließ er den Speisewagen.

Viertes Kapitel

Ein Schrei in der Nacht
     
    D er Orientexpress lief abends um Viertel vor neun in Belgrad ein. Da er erst um Viertel nach neun weiterfahren sollte, stieg Poirot kurz aus. Er blieb allerdings nicht lange auf dem Bahnsteig. Es war bitterkalt, und wenn der Bahnsteig selbst auch überdacht war, draußen schneite es doch sehr stark. Er wollte zu seinem Abteil zurückgehen, als der Schaffner, der sich auf dem Bahnsteig die Füße vertrat und kräftig mit den Armen schlug, um sich warm zu halten, ihn ansprach.
    «Ihr Gepäck wurde in Abteil Nummer eins gebracht, Monsieur, das von Monsieur Bouc.»
    «Aber wo bleibt dann Monsieur Bouc?»
    «Er ist in den Kurswagen aus Athen umgezogen, der gerade angehängt wurde.»
    Poirot ging seinen Freund aufsuchen. Monsieur Bouc wollte von seinen Einwänden nichts wissen.
    «Nicht der Rede wert, nicht der Rede wert. Es ist viel praktischer so. Sie fahren durch bis nach England, da ist es doch besser, Sie bleiben im Kurswagen nach Calais. Ich bin hier gut aufgehoben. Schön ruhig und friedlich. Abgesehen von mir und einem kleinen griechischen Arzt ist dieser Wagen nämlich leer. Ah, was für eine Nacht, mein Freund! Es soll seit Jahren nicht mehr so geschneit haben. Hoffentlich werden wir nirgendwo aufgehalten. Allzu glücklich bin ich über die Situation nicht, das kann ich Ihnen sagen.»
    Punkt Viertel nach neun verließ der Zug den Bahnhof, und wenig später stand Poirot auf, wünschte seinem Freund eine gute Nacht und begab sich über den Gang zurück zu seinem eigenen Wagen, der ganz vorn war, gleich hinter dem Speisewagen.
    An diesem zweiten Tag der Reise schienen die ersten Schranken zu fallen: Colonel Arbuthnot stand vor seiner Abteiltür und unterhielt sich mit Mac-Queen.
    MacQueen unterbrach sich mitten im Satz, als er Poirot sah.

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