Mord in Der Noris
sagen.«
Sie trat auf den Gang, zog die Tür bis auf einen
schmalen Spalt hinter sich zu und sah ihn fragend an.
»Dein Tipp von heute früh, Frieders Aussage in Bezug
auf das Thalliumsulfat abzugleichen, war klasse. Das hat sich voll rentiert,
nochmals bei der chemischen Fakultät von der Uni Erlangen nachzuhaken. Stell
dir vor, was ich herausgefunden habe. Raten!« Es war ihm anzusehen, dass er
innerlich jubilierte.
»Nein, bitte nicht. Ich hab jetzt wirklich keine Zeit
für solche Spielchen. Du erzählst mir augenblicklich, was du weißt, und das so
kurz wie möglich.«
»Du kommst wohl mit deinem Verdächtigen da drin nicht
so recht voran?«
Sie antwortete nicht, sah ihn nur aus
zusammengekniffenen Augen an.
»Mit dem, was ich dir jetzt sage, kannst du ihn sofort
verhaften lassen. Und zwar ohne jeden richterlichen Haftbeschluss.«
»Heinrich, ich bitte dich …«
»Also gut. Ich rufe also in Erlangen an und habe auch
sofort genau den richtigen Mann am Telefon. Dr. Heinz Hetz, seines
Zeichens Assistent von irgend so einem Professor. Den Namen habe ich hier
aufgeschrieben. Einen Augenblick.« Er kramte in seiner Jackentasche.
Sie legte ihm gereizt die Hand auf den Unterarm.
»Uninteressant. Weiter!«
»Auf jeden Fall sagte dieser Dr. Hetz, dass sie
vor zwei Monaten einen Anruf von einer älteren Dame bekommen haben. Deren Mann
war Chemiker und hatte sich im Keller ein Hobbylabor eingerichtet. Mit allen
Schikanen. Eben auch mit diesem Thalliumsulfat. Nachdem der Mann, also dieser
Chemiker, gestorben war, hatte seine Frau das Labor im Keller einfach so
gelassen, wie es war. Irgendwann ist die Frau ins Altersheim gegangen, und ihre
Kinder sind in das Haus, das ihr nach wie vor gehörte, gezogen. Willst du
wissen, wann das war?«
»Nein. Weiter!«
»Okay. Vor einem halben Jahr sind die Kinder, die
jetzt auch schon gut in den Sechzigern sind, ausgezogen, in eine kleinere
Wohnung. So weit, so gut. Das alte Haus hat die Chemiker-Witwe dann an einen
Immobilienmakler gegeben, zum Verkauf. Der aber sagte zu ihr: Bevor er das
Objekt irgendwelchen Interessenten zeigen könne, müsse das Labor im Keller
geräumt werden. Also ruft sie unseren Dr. Hetz in Erlangen an, und der und
seine Mitarbeiter kümmern sich um diese Räumung.«
Sie sah die Begeisterung in seinem Gesicht, konnte
sich aber auf diese wirre Geschichte keinen Reim machen. Vor allem keinen, der
mit ihrem Tatverdächtigen etwas zu tun hatte.
Heinrich schien ihre wachsende Ungeduld zu spüren,
denn er fuhr schnell fort. »Das klingt für dich vielleicht momentan alles recht
harmlos …«
»Ja, das tut es wirklich«, fiel sie ihm ins Wort. »Und
auch sehr verworren.«
»Geduld, Geduld. Jetzt kommt es. Ich rufe also diese
alte Dame an. Und rat mal, wo ich die gefunden habe?«
»Ich werde nicht raten, du wirst es mir augenblicklich
sagen, zum Donnerwetter!«
»Genau hier im Haus, im Philipp-Melanchthon-Heim.«
»Ach.«
»Ja, ach. Frau Lindner, so heißt die Frau,
achtundachtzig und immer noch topfit im Kopf, und ich unterhalten uns also eine
Zeit lang und dabei stellt sich heraus, dass bevor Hetz und seine Leute dieses
Kellerlabor geräumt haben, noch jemand anderer sein Interesse daran bekundet
hat. Nämlich unser …«
»Schneider-Sörgel«, ergänzte sie.
»So ist es. Er hatte zu Frau Lindner gesagt, dass er
als Künstler oft mit Chemikalien arbeiten müsse und ob er sich dieses Labor mal
ansehen dürfe, bevor die Uni-Leute kämen. Denn manches, was er dringend
bräuchte, gerade zum Fixieren, gäbe es auf dem Markt nicht mehr. Frau Lindner
hat ihm das geglaubt und ist mit ihm zu ihrem Haus gefahren, wo er sich mit
allerhand Sachen eingedeckt hat. Zwei volle Plastiktüten hat er aus dem Labor
getragen. Natürlich hat die Lindner überhaupt keinen Verdacht dabei geschöpft,
sie hat ihn einfach gewähren lassen. Und soll ich dir was sagen?«
Wieder eine von seinen rhetorischen Fragen, die er
sich umgehend selbst beantwortete. »Das mit dem Fixieren war vorgeschoben. Der
wollte aus dem Keller irgendein Gift mitgehen lassen. Das war doch für den eine
einmalige Chance, an das Zeug heranzukommen. Also können wir von Mord mit
Vorsatz ausgehen. Oder siehst du das anders?«
»Das sehe ich genau wie du, Heinrich. Genau so.«
»Nimmst du ihn gleich mit?«
Sie überlegte. »Jetzt gleich noch nicht. Wir machen
was anderes, was viel Besseres. Schau doch mal, ob du diese Frau Lindner hier
auftreibst. Und wenn du sie gefunden hast, komm mit ihr hier
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