Mord in der Vogelkoje
für Matthiesen unten gelassen hatten. Er zog es vor, zu schweigen.
Während Ose daranging, die Brücke in aller Hast herabzulassen, hörten sie in der Ferne das Knattern eines Motorrades.
»Das ist das Motorrad der Wache. Könnte Matthiesen sein«, vermutete Asmus erleichtert.
Gleich darauf hielt sein Kollege vor dem Eingang. Der große blonde junge Mann in Polizeiuniform sprang ab und stellte den Motor aus. »Moin, moin. Was macht ihr denn so bedribbelte Gesichter?«, erkundigte sich Matthiesen.
»Erst der Schuss außerhalb der Jagdzeit«, erklärte Asmus missmutig. »Und dann hat jemand die Brücke hochgezogen, obwohl mein Motorrad hier steht.«
»Ein Streich?« Matthiesen zog eine ungläubige Grimasse.
»Wenn es nur das wäre! Eher eine Warnung«, meinte Asmus ernst. »Im Zusammenhang mit dem Schuss vermute ich, dass es dasselbe war, was wir gemacht haben, als wir nach Kampen zum Telefonieren fuhren: die Brücke hochziehen zum Zeichen, dass Fremde hier nichts zu suchen haben.«
»Als Polizist?«, wandte Ose zweifelnd ein.
»Der Schütze weiß wahrscheinlich nicht, wer hier ist. Selbst wenn er uns beobachtet hätte: Ich bin in Zivil. Undvor allem dürfte er keine Ahnung haben, dass hier eine Leiche liegt.«
»Bei so vielen Unbekannten hattet ihr ja einen unterhaltsamen Morgen«, schloss Matthiesen in aller Gemütsruhe. »Was für ein Schuss denn?«
Asmus rümpfte die Nase und dachte an Oses anfängliche Angst. »Hier schießt jemand. Hätte auch von der See gekommen sein können, aber der Wind steht anders. Lorns, leg deine Pickelhaube ab, und häng sie an deinen Lenker. Wir schieben beide Motorräder über die Brücke, die wir hochziehen, und stellen sie dicht nebeneinander ab. Da sollte doch für jeden verständlich sein, dass die Polizei vor Ort ist und wir keinen Besuch wünschen. Was meinst du?«
»Kapiert jeder Dorfdumme.«
»Eben. Und dann durchsuchen wir das Gelände, bevor hier womöglich Dinge verschwinden, die entlarvend für einen Mörder sein könnten.«
»Ein Mord? Sinkwitz hat mir nur gesagt, dass hier ein Toter liegt. Ich dachte, ich solle hierherkommen, um dir zu bestätigen, dass er tot ist.«
»Lorns, so witzig ist das nicht«, grummelte Asmus. »Was weißt du über Wasservögel?«
»Alles, was nötig ist! Teichhühner weiden frühmorgens neben dem Fething, Stockenten paddeln in ihm herum, und Pfeifenten schießt unser Nachbar vor Weihnachten über dem Watt. Habe schon öfter auf Schrot gebissen. Alte Pfeifenten sind zäh und Stockenten fett.«
Ose lachte in sich hinein.
»Ja, ja. Dass dir das reicht, glaube ich. Aber uns nicht«, knurrte Asmus. »Wir brauchen einen Spezialisten für exotische Enten.«
»Vielleicht gibst du mir mal eine Zusammenfassung , was passiert ist«, schlug Matthiesen geduldig vor. »Etwasausführlicher. Bis jetzt habe ich nur verstanden, dass eine exotische Ente einen Mann ermordet hat. Oder so ähnlich.«
Asmus grinste. »Dämelack.«
Minuten später standen sie neben der Leiche. Unterwegs hatte Asmus Lorns über die wichtigsten vorläufigen Erkenntnisse aufgeklärt.
»Übrigens: Die Kutsche für die Leiche kommt hinter mir her«, berichtete Matthiesen. »Wird noch einige Zeit dauern, bis sie hier ist.«
»Vater wird sich freuen, sie sezieren zu dürfen«, warf Ose sarkastisch ein. »Der Ärmste! Er hat heute frei.«
»Auf einen Tag kommt es nicht an«, stellte Asmus großzügig fest. »Von allen Ärzten der Klinik hat er die größte Erfahrung, ich möchte schon, dass er es macht. Außerdem werde ich Kontakt mit einem Zoologen aufnehmen, der die Entenart bestimmen kann.«
»Ich kenne einen an der Hamburger Universität. Vielmehr Vater, der mit ihm korrespondiert.«
»Das wäre praktisch!«
»Das sieht ja gruselig aus!« Matthiesen, der oberhalb der Pfeife stand und auf den Toten hinunterblickte, runzelte die Stirn. »Und ihm wurde genau ins Herz geschossen?«
»Präzisionsschuss in den Rücken«, bestätigte Asmus. »Das war kein Versehen eines Jägers. Der Kerl muss dem Mann gefolgt sein. Vielleicht, bis er hier an der Pfeife anlangte. Ein Grab auszuheben erübrigte sich auf diese Weise, das war ja schon fertig.«
»Meinst du, er wollte die Leiche nur noch bedecken?«
Asmus zuckte die Achseln. »Aus seiner Sicht wäre es das Vernünftigste gewesen, außerdem verhältnismäßig wenig Arbeit. Tote Bäume liegen hier genug herum; Farnwedelin die Ritzen zwischen die Hölzer gelegt und darauf etwas Erde von den Pfeifenwänden. Ohne Oses Idee,
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