Mord in der Vogelkoje
die Koje unter Naturschutz zu stellen, wäre vielleicht in den nächsten Jahren niemand hierhergekommen. Ich nehme an, dass der Mörder gestört wurde. Durch denselben Schützen, der auch uns aufgescheucht hat.«
»Das würde auch erklären, warum er dem Mann den Entenkopf gelassen hat. Als wäre er Hals über Kopf geflüchtet«, meldete sich Ose. »Ich bin ganz sicher, dass man die Entenart aus Kopfform und -farbe bestimmen kann, und damit könnte man dem Mörder ja auf die Spur kommen.«
Asmus klopfte leicht auf seine Jackentasche. »Ich habe auch noch diese kleine Münze. Mir schien fast, dass sie dem Mörder beim Durchsuchen der Taschen entgangen ist. Anscheinend hat er sie geleert. Möglicherweise ergibt sich der Heimatort des Toten aus einer Art Kreuzpeilung zwischen Entenvorkommen und Münzprägeort. Wie zwischen Leuchtfeuer und Fahrwassertonne.«
»Was ein Glück, dass wir seemännisches Rüstzeug zur Verfügung haben, um einen unbekannten Toten im Binnenland zu orten«, spöttelte Matthiesen.
Asmus schmunzelte.
»Ose, traust du dich, allein durchs Gebüsch zu streifen, auf der Suche nach Fundstücken, die mit der Tat in Zusammenhang stehen könnten? Lorns und ich gehen beiderseits parallel zu dir, immer vom Deich bis zum Teich und zurück. Wir bleiben in Rufweite.«
»Selbstverständlich!« Ose wirkte etwas empört über die Frage. »An welche Fundstücke denkst du?«
»An alles zwischen Pumpenschwengel und Bibel.«
»Ein weites Feld!«
»Ja. Aber wenn man davorsteht, wird man merken, ob es verdächtig ist.«
Ose war nicht ganz einverstanden. »Immerhin ist dieses ganze Gelände von Menschen gestaltet und vom Kojenmann regelmäßig inspiziert worden«, wandte sie ein. »Von Pflugscharen über Fahrräder bis zu Omas Stricknadeln kann hier eigentlich moderner Müll nicht liegen.«
»Deswegen denke ich auch eher an etwas, das speziell mit Enten zu tun hat. Hauptsächlich natürlich an den fehlenden Lockentenkörper.«
»Ja, gut.«
»Wir treffen uns am Teich und drehen uns dann gemeinsam um, um uns die nächste Bahn vorzunehmen. In Ordnung, Nis?«
»Genau so machen wir es, Lorns. Wie immer systematisch.«
»Dann los!« Sie verteilten sich.
Kurze Zeit später entdeckte Ose etwas. »Hier ist eine Feuerstelle, Nis. Hat die eine Bedeutung?«
»Warte. Ich komme.«
Asmus und Matthiesen brachen sich Bahn durch das Unterholz und standen kurz danach neben Ose auf einer kleinen Lichtung, die etwas erhöht lag und trocken im Gegensatz zum übrigen, stellenweise feuchten Gelände war. Zwischen einigen jungen Eichen und einem blühenden Apfelbaum hindurch sah man den Abhang des Seedeiches ansteigen.
»Seltsam«, befand Asmus. »Der Kojenmann hat hier bestimmt nicht gekocht.«
»Sowieso nicht, der bekam in der Fangsaison sein Essen täglich gebracht, damit es nicht etwa nach Kohl roch«, flocht Ose ein.
»Ach so. Da die Feuerstelle ziemlich frisch aussieht, tippe ich auf Leute, die sich nach der Schließung der Koje hier heimlich getummelt haben.«
»Sie müssen sich stundenlang in der Koje aufgehalten haben«, murmelte der verblüffte Matthiesen. »Jedenfalls lange genug, um Hunger bekommen zu haben. Aber warum haben sie nicht einfach ihr Butterbrot gegessen? Oder es war im Winter, und sie mussten sich wärmen.«
»Die verkohlten Äste sind viel zu frisch, um noch vom Winter zu stammen.« Asmus hatte ausreichend Erfahrungen mit Lagerfeuern. Er hatte oft genug vor winzigen dänischen Inseln geankert, wo er sich mit Schwemmholz am Ufer sein Kochfeuer angezündet, Wurst oder Fisch am Stock gebrutzelt und später einen Kessel Wasser für Tee erhitzt hatte. »Für dieses Feuer kommen nur Tage oder wenige Wochen in Frage.« Er blickte nach oben, wo er den Himmel sehen konnte, und schob dann vorsichtig die Asche mit dem Fuß auseinander.
»Ja, genau«, pflichtete ihm Matthiesen bei, der Asmus’ Blick gefolgt war. »Ich stimme dir zu.«
»Bei was denn?«, fragte Ose ein wenig gereizt. »Worüber schweigt ihr gemeinsam?«
Matthiesen lächelte. »Kein Grund, eifersüchtig zu sein, Ose. Mittlerweile kenne ich einfach Nis’ Arbeitsweise.«
Asmus drückte Ose zart an sich. »Diese Lichtung ist ausreichend groß, um ein kleines Lagerfeuer zu gestatten, sofern man es bewacht. Andererseits ist sie von keiner Seite einsehbar, nicht von der Landstraße, nicht vom Kojeneingang und nicht von See her.«
»Und das ist auch ein Grund, den Herd des Kojenmanns nicht zu benutzen«, fügte Matthiesen hinzu.
»Ich hatte
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