Mord in h-moll
ruiniert.«
Sie starrte mich sprachlos an.
»Du hast das Geld aus der Kasse gestohlen?«
»Nicht gestohlen. Ich habe es genommen, weil du damals krank warst und nach Davos reisen mußtest. Woher hätte ich es denn haben sollen? Ich hatte damit gerechnet, daß ich es aus der Erbschaft ersetzen könnte.«
»Aus meiner Erbschaft?«
»Himmel, das Geld war ja auch für dich. Nur für dich. Ich habe nicht eine einzige Mark davon für mich verbraucht.«
»Und jetzt willst du das mit meiner Erbschaft glattbügeln?«
»Ja.«
Sie lachte schallend auf.
»Du bist manchmal noch naiver als ich dachte.« Sie wurde plötzlich wieder ernst und schaute mich interessiert an, wie man einen seltenen Käfer betrachtet. »Sag mal, hast du im Ernst gedacht, ich würde dich an meine Erbschaft ranlassen?«
»Das wirst du«, sagte ich. »Sonst bin ich ruiniert.«
Sie sprang auf und ging im Zimmer auf und ab. Plötzlich blieb sie stehen.
»Weißt du was, Stefan? Ich bin bereit, mich von dir scheiden zu lassen.«
Das war so überraschend, daß ich Sekunden brauchte, um es zu kapieren.
»Scheiden?« murmelte ich. »Jetzt auf einmal? Und bisher...«
Niemals ließ sie mich ausreden.
»Bisher war das etwas anderes. Man konnte dich für einen ganz angesehenen Mann halten, wenn man dich nicht zu genau kannte. Aber ich kann es mir nicht leisten, mit einem Verbrecher verheiratet zu sein.«
»Mit einem Verbrecher? Bin ich ein Verbrecher, weil ich dir damals das Geld beschafft habe?«
»Natürlich«, sagte sie mit der größten Ruhe. »Man wird dich einsperren. Ich glaube, das ist Unterschlagung, oder? Dafür bekommt man ein paar Monate. Und außerdem: man wird dich doch aus der Firma feuern, nicht? Du wirst kein Geld mehr verdienen, und niemand wird einen vorbestraften Kassierer anstellen. Und da hoffst du allen Ernstes, daß ich bei dir bleibe? Damit man mit den Fingern auf mich deutet und sagt: das ist die Frau dieses Kerls, der Geld unterschlagen hat? Findest du nicht, daß du etwas zuviel von mir erwartest?«
»Gut«, sagte ich nach einer Weile. »Dann lassen wir uns eben scheiden. Aber nur unter einer Bedingung: du gibst mir die Erbschaftspapiere heraus, damit ich einen Kredit aufnehmen kann.«
»Du bist wirklich nicht mehr ganz bei Trost«, sagte sie mitleidig. »Du gehst in den nächsten Tagen zum Anwalt und gibst zu, daß du mit einer Scheidung einverstanden bist. Natürlich nimmst du die Schuld auf dich, wie das ja auch den Tatsachen entspricht. Und außerdem verpflichtest du dich, mir einen angemessenen Unterhalt zu zahlen.«
»Und wenn ich es nicht tue?«
»Ich gebe dir eine Woche. Eine ganze Woche. Dann gehe ich zur Polizei und zeige dich an. Wegen Unterschlagung. Dazu bin ich geradezu verpflichtet.«
»Bekomme ich nun die Papiere oder nicht?«
Sie zog ein unendlich gelangweiltes Gesicht.
»Was faselst du denn immer von dieser lächerlichen Erbschaft. Ich habe das Geld doch längst bekommen.«
Mir verschlug es den Atem.
»Du hast...«
»Ja, wenn du nichts dagegen hast. Schließlich war das mein Geld, meins ganz allein. Ich habe es bekommen.«
Ich sah mich schon im Gefängnis.
»Hilda, um Gottes Willen, dann leih mir wenigstens diese dreitausend. Ich werde sie dir mit Zinsen zurückzahlen.«
»Ach, wie rührend. Das Geld habe ich längst ausgegeben. Glaubst du vielleicht, ich könnte von den paar Zechinen leben, die du heimbringst?«
Vor Wut und Enttäuschung war ich dem Weinen nahe.
»Hilda, hab doch wenigstens einmal etwas Herz. Ich muß das Geld ersetzen. Ich habe es doch nur genommen, weil du krank warst, damit du wieder gesund werden konntest.«
Sie zündete sich wieder eine Zigarette an und lachte. Sie lachte mich einfach aus.
»Wenn du nicht ein solch blinder Trottel wärst, Stefan, dann hättest du bestimmt gemerkt, daß ich niemals krank war.«
»Du... du warst niemals krank? Ja... habe ich denn das alles geträumt?«
»Ich war nicht krank. Und wenn du es ganz genau wissen willst: Ich habe für dieses Geld einen köstlichen Urlaub in Davos verbracht. Natürlich nicht allein, sondern mit einem Mann, der kein solcher Waschlappen ist wie du. So, jetzt weißt du es. Ist dir jetzt wohler?«
Sie stand auf und ging an mir vorbei in die Küche, als sei ich gar nicht vorhanden.
Eine Weile blieb ich noch wie gelähmt stehen. Dafür also hatte sie das Geld gebraucht. Dafür hatte ich diesen verhängnisvollen Griff in die Kasse getan! In meiner Ratlosigkeit dachte ich in diesem Augenblick nicht an den Anruf
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