Mord in h-moll
Wohnung in einer teuren Stadtlage. Sie hatte ohne mein Wissen den Mietvertrag abgeschlossen. Als ich ihr Vorhaltungen machte, tat sie alles mit der Bemerkung ab:
»Dann werden wir uns eben mit dem Essen ein wenig einschränken. Kein Mensch sieht, was wir essen, aber jeder hat gesehen, in welchem Loch wir bisher gehaust haben.«
Es war immerhin eine Zweizimmerwohnung mit einem kleinen Balkon gewesen. Nun hatten wir vier Zimmer. Die Möbel mußte ich auf Ratenzahlung anschaffen.
Damals kamen mir die ersten großen Zweifel, ob ich recht getan hatte, Hilda zu heiraten. Sie war eine schöne Frau, wundervoll schlank gewachsen, und ihre Bewegungen hatten etwas Hoheitsvolles. Wer hingegen war ich? Ein kleiner, schmächtiger Mensch mit einer viel zu langen Nase, die obendrein noch etwas schief stand. Wenn ich meine Brille abnahm, um mich kurzsichtig im Spiegel zu betrachten, entdeckte ich das bedeutungsloseste Gesicht, das ich jemals gesehen hatte.
Aber ich hatte mich ja nicht verändert! Ich war damals, als sie mich heiratete, um kein Haar hübscher gewesen. Zu allem Unglück war Hilda noch einen halben Kopf größer als ich. Ihre Art, bei Meinungsverschiedenheiten auf mich herabzublicken, wurde immer kränkender. Und Meinungsverschiedenheiten traten immer häufiger auf.
Acht Jahre waren wir also verheiratet. Allmählich vollzog sich in mir eine Wandlung. Es kam die Zeit, wo ich versuchte, gegen Hilda zu rebellieren.
Ich war die Maus in diesem Spiel. Die Katze tat mit mir, was sie wollte, und ich vermochte mich nicht zu wehren.
Freilich, auch das ist zum Teil meine Schuld. Immer hatte ich eine Frau heimlich mit meiner Mutter verglichen. Das Gespött meiner Kriegskameraden über die Tatsache, daß ich nicht mit ihnen zu den Weibern ging, machte mir nichts aus. Sie konnten ja nicht ahnen, für welch großes Erleben ich mich aufsparen wollte. Und so war Hilda meine erste Frau. Ich betete sie an und wurde ihr Sklave.
Fast merkte ich es nicht, wie sich meine Gedanken mehr und mehr der Finsternis, dem Verbrechen zuwandten. Nachdem ich lange genug über das Grundsätzliche eines Mordes nachgedacht hatte, begann ich mich in Träumen zu verlieren, die einen Schritt weitergingen. Ich versuchte mir auszumalen, wie mein Leben aussehen würde, wenn ich meine Freiheit wieder hätte, wenn ich den vollendeten Mord begangen haben würde. Ich träumte von einer kleinen friedlichen Wohnung, ohne Hildas heiseren Gesang, ohne ihr ständiges Schimpfen und Nörgeln. Und manchmal dachte ich auch an eine neue Ehe mit einer anderen Frau, die ich zwar noch nicht kannte, die ich aber wirklich lieben würde. Und sie mich auch.
So standen also die Dinge bis zu jenem 5. Oktober, einem Montag Morgen.
Dieser Tag begann zunächst wie jeder andere Wochentag in den letzten Jahren. Ich war um sieben Uhr auf gestanden und hatte das Wasser für Tee und Kaffee aufgesetzt. Dann hatte ich mein Bettzeug aufgeräumt, denn ich schlief schon seit Jahren auf einem Sofa im Wohnzimmer, damit mein Schnarchen Hildas Schlaf nicht störte. Nachdem ich mich gewaschen und rasiert hatte, deckte ich den Frühstückstisch, stellte Hildas Kaffee unter die Wärmehaube und trank allein meinen Tee, während Hilda im Badezimmer verschwand. Schließlich richtete ich mir noch mein belegtes Brot für die Mittagspause, und als ich die Wohnung verließ, hörte ich Hilda in der Badewanne singen.
Ich wußte, daß sich unser Nachbar darüber ärgerte, weil er Nachtschicht hatte und morgens länger schlafen wollte. Aber noch jedesmal, wenn er mich deshalb ansprach, war ich für Hilda eingetreten: ab acht Uhr morgens konnte sie singen, so laut sie wollte. Daher kam es auch wohl, daß man unsere Ehe im ganzen Haus für eine glückliche hielt.
Wie jeden Morgen ging ich um viertel nach acht Uhr in mein Büro, und wie jeden Morgen überprüfte ich mechanisch den Kassenbestand. Ich liebte es, die Geldscheine zwischen meinen Fingern knistern zu hören. Und wie jeden Morgen, verglich ich die Summen mit meinen Listen. Dies war eine rein mechanische Arbeit, denn wer sollte sich schon nachts an meiner Kasse zu schaffen machen?
Dann wartete ich auf die ersten Kunden. Auch das liebte ich, wenn sie an meinen Schalter kamen, mich freundlich anlächelten und sagten:
»Guten Morgen, Herr Roeder, ein schöner Tag heute, was?«
Alle waren sie freundlich zu mir, keiner war ungeduldig, und von keinem brauchte ich mir sagen lassen, was für ein mieser Kerl ich sei.
Genau um neun Uhr kam mein Kollege
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