Mord ist ihre Leidenschaft
Eve, Sie haben es hier mit einem extrem gefährlichen, hochintelligenten, zu allem entschlossenen und vor allem gründlichen Killer zu tun. Einem, der die Taten seit Jahren vorbereitet hat. Ich kann nur hoffen, dass auch Sie einigermaßen vorbereitet sind. Er ist gleichermaßen zielstrebig wie labil, hat einerseits ein vollkommen aufgeblähtes Ego und andererseits größte Zweifel an sich selbst. Er ist ein Soziopath auf einer heiligen Mission, ein Sadist, der seine Neigung aufs Grauenvollste auslebt. Ich habe wirklich Angst um Sie.«
»Ich bin ihm dicht auf den Fersen.«
»Das kann ich nur ebenfalls hoffen, denn ich fürchte, dass er auch Ihnen dicht auf den Fersen ist. Roarke mag seine Hauptzielperson sein, aber Sie stehen ihm dabei im Weg. Roarkes Tod würde die Mission beenden, und die Mission ist sein Leben. Sie hingegen, Sie sind seine Verbindung, seine Konkurrentin und zugleich sein Publikum. Er hat eine Schwarz-Weiß-Sicht von uns Frauen. Entweder sind wir unbefleckte Jungfrauen oder Huren. Letztere gilt es, für ihr Treiben zu bestrafen.«
Eve knurrte gereizt. »Tja, ich kann mir denken, auf welcher Seite ich dann für ihn stehe.«
»Nein.« Mira schüttelte betrübt den Kopf. »Mit Ihnen hat er gewisse Probleme. Er empfindet Bewunderung für Sie. Sie fordern ihn heraus. Und Sie machen ihn wütend. Ich glaube nicht, dass er es schafft, Sie in eine der beiden Kategorien einzuordnen. Deshalb konzentriert er sich noch stärker auf Sie.«
Eves Augen begannen zu blitzen. »Genau das ist es, was ich will.«
Mira hob die Hände – sie brauchte einen Moment, um sich zu sammeln. »Ich muss mich noch eingehender mit der Sache befassen, aber spontan sage ich mal, dass sein Glaube, seine Religion, der Katalysator – oder, wenn Ihnen das lieber ist, die Entschuldigung – für seine Taten ist. Er lässt an jedem Tatort eine Münze, die gleichermaßen Sinnbild für Glauben und Aberglauben ist, sowie ein Abbild der Jungfrau Maria als Symbol ihrer weiblichen Stärke und gleichzeitigen Verwundbarkeit zurück. Sie ist seine wahre Göttin.«
»Ich fürchte, ich kann Ihnen nicht folgen.«
»Die Mutter. Die Jungfrau. Reinheit und Liebe, doch zugleich eine Autoritätsperson, der er sich klaglos fügt. Sie ist Zeugin seiner Taten, Zuschauerin bei der Erfüllung seiner heiligen Mission. Zum jetzigen Zeitpunkt nehme ich an, dass es eine Frau war, die ihn zu dem gemacht hat, der er heute ist. Eine starke, vitale, liebevolle und zugleich autoritäre Frau. Er braucht ihre Führung und ihren Beifall. Es ist ihm ein Bedürfnis, ihr Freude zu bereiten. Er ist abhängig von ihrem Lob.«
»Seine Mutter«, murmelte Eve mit nachdenklicher Stimme. »Glauben Sie, dass möglicherweise sie hinter all dem steckt?«
»Möglich wäre es durchaus. Ebenso möglich jedoch wäre es, dass er seine Taten als einen Akt praktizierender Verehrung für sie sieht. Mutter, Schwester, Tante, Frau. Wobei Frau eher unwahrscheinlich ist«, fügte Mira mit einem leichten Kopfschütteln hinzu. »Wahrscheinlich hat er sexuell große Probleme. Ich schätze, er ist impotent. Sein Gott ist ein Gott der Rache, der fleischliches Vergnügen untersagt. Wenn er die Statue als Symbol für seine eigene Mutter aufstellt, sieht er seine Empfängnis als ein Wunder und sich selbst als unverwundbar an.«
»Er hat gesagt, er wäre ein Engel. Ein Racheengel.«
»Ja, ein Soldat seines Gottes, dem die Macht der Menschen nichts anhaben kann. Das passt zu seinem übertriebenen Ego. Ich bin mir sicher, dass es eine Frau gibt – oder eventuell gab –, die er als vollkommen rein ansieht und die er milde stimmen will.«
Während eines Übelkeit erregenden Moments sah Eve Marlena vor sich, mit gewelltem, goldenem Haar, unschuldigen Augen, in einem blütenweißen Kleid. Rein, dachte sie, jungfräulich und rein.
Würde Summerset seine gemarterte Tochter nicht sein restliches Leben lang genauso sehen?
»Es könnte auch ein Kind sein«, sagte sie mit leiser Stimme. »Ein verlorenes Kind.«
»Marlena?« Es war deutlich zu hören, welches Mitgefühl Mira empfand. »Das ist unwahrscheinlich. Trauert er um sie? Natürlich. Das wird er bis an sein Lebensende tun. Aber sie ist für ihn kein Symbol. Für Summerset ist Marlena sein Kind, ein Kind, das er nicht beschützt hat. Für Ihren Killer hingegen hat die weibliche Figur die Funktion zu schützen – und zu strafen. Und auch Sie sind eine starke, Autorität gebietende weibliche Person. Er fühlt sich zu Ihnen hingezogen, will,
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