Mord und Brand
im ganzen Körper verbreitete. Nun nahm er bedächtig einen Schluck Bier, wischte sich den Schaum aus dem Schnurrbart und lehnte sich zufrieden zurück. Er musterte die anderen Gäste des Lokals und entdeckte in einer entfernten Ecke den Frantisek Oprschalek, der vor sich hinstarrte. Der Zeigefinger seiner rechten Hand umkreiste in endlosen Runden den Rand eines leeren Bierglases. Irgendwas schien ihn zu bedrücken. Budka winkte dem Kellner und bestellte dem Oprschalek ein Krügel Bier. Als der Kellner es ihm brachte, wollte Oprschalek es zuerst gar nicht annehmen. Erst als ihm klar gemacht wurde, dass er darauf eingeladen war, griff er gierig danach und machte einen langen Zug. Dann setzte er das Glas ab, erblickte Budka, stand wankend auf und kam zu dessen Tisch.
»Bist auf eine Goldader g’stoßen, dass d’ mich heut’ einladest?«, lallte Oprschalek und setzte sich zu ihm an den Tisch. Sein Gönner grinste und sagte:
»Na, du bist ja schon ganz schön b’soffen … Hast heut nix gearbeitet, weil dein Meister streikt?«
»Wir streiken aa… Wir Schneidergesellen unterstützen unsere Meister. Gegen das Großkapital… gegen die Ausbeuter… gegen die Teuerung… gegen die Scheißregierung… gegen die ganze Welt, gegen den Herrgott und gegen den…«
»Kusch!«, schnitt Budka dem Oprschalek das Wort ab und packte ihn beim Unterarm.
»Halt die Gosch’n! Wenn dich ein Polizeispitzel hört, gehst Meier 4 .«
Oprschalek trank einen gewaltigen Schluck und stellte das Bierglas krachend auf den Holztisch. Dabei murmelte er leise vor sich hin:
»Um’bracht g’hören s’, die Gfraßter. Jeder Fabrikant aufg’hängt … an einer Laterne vor seiner Fabrik. Und dann die Fabrik anzünden. Anzünden, verstehst? Die ganze Welt in Flammen setzen. Einen Feuersturm entfachen, der alle Kapitalisten wegfegt… der das Antlitz der Erde reinigt…«
Oprschalek packte Budka bei der Schulter, beugte sich vor und sah ihm in die Augen:
»Ich sag’ dir: Feuer ist die einzige Lösung. Alles muss brennen. Alles! Erst wenn alles nieder’brannt is’, hat die Welt ihre Sünden gebüßt. Dann kann a neue Gesellschaft kommen, wo alle Menschen gleich sind…«
Und während Budka den Oprschalek’schen Endzeitfantasien zuhörte, hatte er eine Vision. Er würde den Oprschalek bei seinen pyromanischen Ideen unterstützen. Erstens hatte er für Großbürger und Fabrikanten sowieso noch nie einen Funken Mitleid verspürt, und zweitens passte das hervorragend zu seinen Plänen. Warum sich selbst die Hände schmutzig oder gar blutig machen? Zumindest den Mord am Direktor Hubendorfer würde er Oprschalek erledigen lassen. Sollte er ihn anzünden, verbrennen, abfackeln… Genussvoll aß Budka sein Gulasch, zerdrückte die Salzerdäpfel in dem sämig braunen Saft und kaute voll Vergnügen an dem weichen, fasrigen Fleisch, das hin und wieder von einer zarten, leicht fettigen Flachse durchzogen war. Ein Gulasch, wie es sich gehörte. Nein, er würde den Herrn Direktor Hubendorfer nicht erstechen oder erschlagen. Das war viel zu viel Aufwand. Er würde ihn auf ein menschenleeres Fabriks- oder Lagergelände locken und dann den Frantisek Oprschalek seines Amtes walten lassen. Als Feuerteufel und Exekutor von seinen Gnaden. All diese Überlegungen erhellten sein Gemüt. Warum war er in der Früh nur so missmutig gewesen? Er konnte seine morgendliche schlechte Laune nicht mehr verstehen. Ein wunderbarer Tag, der von Stunde zu Stunde besser geworden war! Er bestellte für sich und den Schneidergesellen eine weitere Runde Bier sowie zwei doppelte Slibowitz. Oprschalek trank automatisch. Seine Augen stierten ins Leere, aus seinem Mundwinkel rann ein dünner Speichelfaden. All das irritierte Budka nicht. Im Gegenteil, ungestört überlegte er nun, was er mit der Kleinen anstellen sollte… mit dieser Friederike Nemec. War sie fesch? Vermutlich… Na, wenn sie hübsch war, konnte er sich ja vor ihrem Ableben noch ein bisserl mit ihr vergnügen… Und dann? Vielleicht sollte er sie auch verbrennen. So wie die Pfaffen im Mittelalter Hexen verbrannt hatten… Und plötzlich überkam ihn eine weitere Vision: Er würde Hubendorfer und das Mädel vom Oprschalek gemeinsam verbrennen lassen. Doppelte Feuerbestattung. Aneinander gefesselt und vereint auf immer und ewig.
III.
»Freitag, der 13. Und nix is’ passiert …«, murmelte Joseph Maria Nechyba in seinen mächtigen, aufgezwirbelten Schnauzbart, als er mit müdem Schritt das
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