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Mord und Mandelbaiser

Mord und Mandelbaiser

Titel: Mord und Mandelbaiser Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jutta Mehler
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Fanni im Stillen. Oder hat sie immer schon so geredet, und es ist mir nur nicht aufgefallen?
    Plötzlich kam ihr etwas in den Sinn. »Wer ist eigentlich heute verstorben?«, fragte sie.
    »Keiner«, antwortete Tante Luise mit fester Stimme.
    »Doch«, widersprach Fanni, »heute Mittag muss jemand gestorben sein. Der Hausmeister war in großer Eile, den Aussegnungsraum wieder …«
    »Fannilein«, unterbrach Tante Luise sie frostig, »wenn ich dir sage, dass heute keiner von den Insassen des Altenheims über den Jordan gegangen ist, dann kannst du mir das getrost glauben. Hier gibt niemand den Löffel ab, ohne dass ich umgehend davon erfahre.« Luise reckte die Nase in die Luft, als könne sie es riechen, welches Seniorenzimmer von Gevatter Tod demnächst heimgesucht werden würde.
    Ich traue ihr zu, dass sie das kann, dachte Fanni.
    »Schieb mich schon mal ins Badezimmer«, verlangte Luise. »Den Waschlappen kann ich mir selbst durchs Gesicht ziehen, bis die Schwester mit der Nagel fertig ist. Und du machst am besten, dass du nach Hause kommst. Höchste Zeit, deinem Mann das Abendbrot vorzusetzen.«
    Termin längst verpasst!
    Trotzdem Zeit zu gehen, sagte sich Fanni und verabschiedete sich.

    Vor Luises Tür bog sie automatisch in Richtung Hintertreppe ab, doch dann blieb sie stehen.
    Nicht heute, nein, heute nicht mehr, summte es in ihrem Kopf.
    Entschieden drehte sie sich um und wandte sich dem Flur zu, der in die Haupttreppe mündete und über diese ins Foyer führte.
    Da wirst du jetzt sowieso niemanden mehr antreffen, die Senioren sind bereits auf dem Weg ins Bett und die Verwaltungsangestellten längst auf dem Weg nach Hause!
    Fanni hastete die zwei Stockwerke hinunter, passierte die beiden gipsernen Löwen, die den Aufgang bewachten, warf einen missbilligenden Blick auf die verspiegelten, mit Kunstblumen bestückten Kübel, die den Zugang zum Foyer markierten, und hielt stracks auf die Voliere mit den nachgebildeten Vögeln zu, neben der sich die Eingangstür befand.
    Auf Höhe der Voliere merkte sie, dass außer ihr noch jemand die Halle betreten haben musste, denn ein synthetischer Kanarienvogel erzitterte im Luftzug einer zufallenden Tür.
    Im nächsten Moment hörte sie die gewohnt freundlich klingende Stimme von Herrn Müller. »Ah, Frau Rot. Gut, Sie noch mal zu treffen. Hanno …« Der Heimleiter unterbrach sich, atmete durch und sagte dann schmeichlerisch: »Wie geht es denn der Tante Ihres Gatten?«
    Fanni war bass erstaunt darüber, dass Müller, der sie vorhin kaum wahrgenommen hatte, nun auf einmal wusste, wen sie besucht hatte; und noch erstaunter war sie darüber, dass er sich mit ihren Familienverhältnissen so genau auskannte. Die Verblüffung brachte sie für einen kurzen Moment aus dem Konzept.
    »Ja … danke … es geht … die Beine halt«, stammelte sie, bis sie sich so weit gefasst hatte, um geläufiger hinzufügen zu können: »Tante Luise fühlt sich recht wohl hier in der Katherinenresidenz.«
    »Das freut mich«, erwiderte der Heimleiter. »Das freut mich außerordentlich. Herrn Benat, unserm Berufsbetreuer und mir ist es nämlich das allerallergrößte Anliegen, dass sich unsere Senioren hier wohlfühlen, dass sie ihren Lebensabend vollauf genießen.«
    »Seniorenbetreuung scheint Ihnen beiden ja sehr am Herzen zu liegen«, sagte Fanni daraufhin geistlos.
    »Ja, ganz außerordentlich«, erwiderte Müller schwärmerisch. »Und ich darf sagen, dass unser unermüdlicher Einsatz der Katherinenresidenz einen hervorragenden Ruf verschafft hat. Wir können uns vor Anfragen nach Heimplätzen kaum retten, und Dr. Benat werden laufend Berufsbetreuungen angetragen – in allen Seniorenheimen der Stadt, besonders häufig aber in der Katherinenresidenz.«
    Der Heimleiter hielt Fanni die Tür auf, und sie trat auf die gepflasterte Allee, die zur Hauptstraße führte.
    Müller folgte ihr; gemeinsam gingen sie unter den Kastanienbäumen entlang.
    »Die Leidenschaft für Ihre Arbeit beschert Ihnen offenbar einen langen Arbeitstag«, sagte Fanni.
    Müller warf einen Blick auf die Kirchturmuhr von St. Martin, die rechter Hand über die Dächer spitzte und mehr erahnen als erkennen ließ, dass der kleine Zeiger auf sechs stand. »Einen sehr langen. Ich werde heute sogar noch für ein paar Stunden in Dr. Benats Kanzlei zu tun haben.«
    »Er ist Rechtsanwalt«, stellte Fanni fest und fragte sich im Stillen, ob Berufsbetreuer unabdingbar eine juristische Ausbildung vorweisen mussten.
    Müller nickte.

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