Mord zur besten Sendezeit
Nichtsdestotrotz eilten wir den belebten Bürgersteig entlang.
Der Typ war nur ein paar Schritte von uns entfernt. Ich hob vorsichtig meine Pistole aus der Handtasche und ließ sie, um später schneller an sie heranzukommen, in meine Manteltasche gleiten. Ich leckte mir über die Lippen und kam mir vor wie ein Flittchen, weil ich mich dermaßen auf diese Sache freute.
Der Name dieses Knaben war Benjamin Savage. Als weißer Fünfzehnjähriger mit großen roten Pickeln entsprach er durchaus dem Durchschnitt. Außerdem hatte er lange, schwer zu bändigende Gliedmaßen, die ihn ungeschickt und tölpelhaft wirken ließen. Seine Mutter, die ich nur als Mrs. Savage kannte, hatte Großes mit ihrem Jungen vor.
»Er wird an der Olympiade teilnehmen«, hatte sie während unserer ersten Unterhaltung am Telefon gesagt. »Er ist ein begabter Schwimmer. Aber auch wenn er die Qualifikation für die Olympiamannschaft nicht schafft, werde ich ihn trotzdem lieben.« Mrs. Savage hatte meine Anzeige in den Gelben Seiten gesehen. Sie erklärte sich bereit, in die Räume von Do It Right Detectives zu kommen, also in mein Büro, und mir dort von ihrem Problem zu erzählen. Sie stimmte außerdem einem unverschämt überhöhten Honorar zu — ich glaubte, daß sie reich sei, und außerdem wollte ich die Gebühren für meine Anzeige sofort wieder raushaben.
Alex, mein Teilzeit-Partner bei gleicher Bezahlung, war bei Mrs. Savages Besuch am nächsten Nachmittag auch zugegen. Sie brachte Benjamins Schulphoto von Dal ton, einer der elitärsten Privatschulen der Stadt, mit. Die Mutter sah ihrem Sohn sehr ähnlich, nur älter und weiblicher. Und, wie ich schon sagte, ihr Sohn hatte Pickel. Es war schwierig, mehr aus einem Klassenphoto herauszulesen als das. Jedenfalls war es alles, was ich jemals auf meinen Photos gesehen habe. Ich habe seit langem die Lebensphase der Pickel hinter mir gelassen, außer vielleicht einem oder zwei an bestimmten Tagen des Monats. Ich war mir hingegen sicher, daß Benjamin dieses Problem noch eine Weile mit sich herumschleppen würde.
»Also«, fing ich an und zog an meiner Zigarette, »was genau ist Benjamins Problem?« Ich betrachtete Mrs. Savage durch meinen Rauch, mit einem perfekten Augendeckelsenken auf eine verruchte Halbmastposition. Alex zerstörte meine dramatische Selbstinszenierung, indem er mit seinen Händen herumwedelte, um die Luft aufzuklaren, und laut hustete.
»Benjamin ist drogenabhängig.« Mrs. Savage kam eindeutig sofort zum Thema. »Ich habe diese Dinger in seinem Zimmer gefunden.« Sie steckte ihren patagonia-jackengewandeten Arm in die Handtasche und holte etwas heraus, das aussah wie feuchte Petersilie. »In Ihrer Anzeige stand, daß Sie auf Jugendliche spezialisiert sind, die Betäubungsmittel mißbrauchen«, sagte sie. Alex schnaufte auf. Ich warf ihm Dolchblicke zu. Er hielt den Mund. Eigentlich stellt nämlich eine Anzeige diese Behauptung auf, die genau über meiner gedruckt ist. Ich hingegen bin auf untreue Ehemänner spezialisiert. Das mußte Mrs. Savage aber nicht wissen. Ich glaubte auch nicht, daß ich in diesem Fall außerhalb meiner Kompetenzen arbeiten würde. So wie das hier aussah, mißbrauchte dieses Kind etwas, womit normalerweise Schinkenplatten garniert werden.
Ich sagte: »Ich habe einige Erfahrung mit botanischen Rauschmitteln, Mrs. Savage, und das hier sieht wie eine seltene Züchtung von cannabis marijuanus aus.« Ich versuche immer, meine Kunden durch detektivische Fachsprache zu beeindrucken.
Mrs. Savage seufzte. »Es ist kein Hasch.«
»Dessen bin ich mir sehr wohl bewußt«, bluffte ich und versuchte, verlorenen Boden zurückzugewinnen. »Selbstverständlich kann das nicht cannabis marijuanus sein. Bei näherer Betrachtung« — ich hielt einen schlappen Stengel in die Höhe — »sieht es ganz entschieden aus wie diese seltene Züchtung aus der Ostmongolei, man nennt sie — «
»Khat«, sagte sie und sprach es Kott aus.
»Natürlich«, sagte ich. »Khat. Aus den nördlichen Gebieten der iberischen Halbinsel.«
»Entschuldigen Sie die Unterbrechung, Chefin«, sagte Alex und klang viel zu höflich. »Ich glaube, Khat wird im Jemen und in den Ländern des nordafrikanischen Horns angebaut. Die somalischen Soldaten haben es letztes Jahr an die amerikanischen Truppen verkauft. Sie können ihre eigenen Leute verhungern lassen, ihr Land zerstören, und haben dabei trotzdem Zeit, Rauschgift in die USA zu exportieren.« Alex schüttelte voller Abscheu den Kopf,
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