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Mordsee

Mordsee

Titel: Mordsee Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Reinhard Pelte
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sich erschlagen fühlte wie noch nie zuvor in ihrem Leben. In zwei Stunden würde ihre Wache aufziehen. Die Hundewache. Auch das noch. Ihr Hirn arbeitete auf Hochtouren. Ihre Ruhelosigkeit quälte sie. Nur der Gedanke, dass sie heute Nacht in Sichtweite der Küste segeln würden, linderte ihre Qual. Sie würde sich mit dem Handy in ein Netz einwählen können. Das war eigentlich strengstens verboten, aber ihr Platz auf der Back war vor den Blicken der anderen geschützt. In der Dunkelheit hatte sie noch weniger zu befürchten. Sie musste mit ihrem Vater sprechen. Er würde zu jeder Stunde, auch nach Mitternacht, ans Telefon gehen. Sie war sich seiner sicher. Er würde das für sie regeln. Der Gedanke an ihn tröstete sie. Es wird alles wieder gut werden, machte sie sich Mut.
     
    *
     
    Sie kleidete sich geräuschlos an. Sie selbst hasste es, in den Ruhephasen von anderen gestört zu werden. Draußen blies ihr ein steifer Wind ins Gesicht. Sogar in ihrem winddichten Bordparka war ihr kalt. Ihr schwarzer Lederblouson fiel ihr ein. Wie gern hatte sie ihn getragen und wie wohl hatte sie sich immer in der Jacke gefühlt. Sie erschrak, als über ihr die Stagsegel in einer Windböe knallten. Sie zog den Reißverschluss bis unters Kinn und streifte die Kapuze über. Dann stapfte sie gegen den Wind nach achtern zum Wachstand. Der Niedergang zum Oberdeck war in der Dunkelheit schlecht zu sehen.
    »Kadettin Schwarz meldet sich als ablösende Wache auf der Back«, rief sie dem Brückenoffizier zu. Sie hatte Mühe, sich gegen den Wind verständlich zu machen.
    »Okay. Seien Sie vorsichtig!«, schrie der Offizier zurück. »Wir haben momentan Südwest sechs bis sieben und um die zwei Meter See. Der Wetterfrosch sagt, es wird noch etwas mehr werden. Wir lassen die Segel aber stehen. Beachten Sie die Melderoutine. Ich will keine Scherereien. Verstanden?«
    »Verstanden, Herr Oberleutnant. Gibt es sonst noch was?«
    »Backbord voraus ein Entgegenkommer. Gute Sicht. Kein Problem. Egal, melden Sie alles, was aufkommt. Alles klar?«
    »Alles klar, Herr Oberleutnant. Melde mich ab auf die Back.«
    »Okay. Gute Wache.«
    »Gute Wache.«
    Auf dem Niedergang zum Mitteldeck stolperte sie und musste sich am Handlauf festhalten. Das Schiff krängte und arbeitete in den Wellen. Zum Glück litt sie nicht an Seekrankheit.
    »Kadettin Schwarz, überprüfen Sie, ob das Sprechfunkgerät ausreichend Power hat!«, schrie der Brückenoffizier ihr hinterher.
    »Funkgerät überprüfen. Wird gemacht, Herr Oberleutnant.«
    »Und melden Sie sofort, wenn ein Brecher einsteigt. Verstanden?«
    »Verstanden, Herr Oberleutnant.«
    Sie hangelte sich am Schanzkleid entlang nach vorn.
    »Ist die Quakbox okay?«, schrie sie ihrem Wachvorgänger nach einer stummen Begrüßung ins Ohr.
    »Heute gerade aufgeladen.«
    »Gut. Was Wichtiges?«
    »Sehr pustig. Backbord voraus ein Händler. Läuft schnell achteraus. Gute Sicht. Grobe See. Hier das Glas. Gute Wache.«
    »Danke. Gute Ruh.«
    Sie hängte sich das Fernglas um den Hals und steckte das Sprechfunkgerät in die Tasche ihrer Bordjacke. An der Ablaufbühne der Rettungsinseln fand sie Halt. Sie fühlte in der Tasche nach ihrem Handy, zog es heraus und startete die Netzsuche. Erfolgreich. Erleichtert lehnte sie sich zurück und ließ den Blick über die aufgewühlte See schweifen. Hier oben, auf der Luvseite, war es noch ungemütlicher und lauter als auf dem Mitteldeck. Gab es einen besseren Standort? Sie trippelte hinunter auf die Leeseite und lehnte sich an die Persenning der Ankerwinde. Sehr gut, dachte sie. Hier konnte sie bleiben. Der Platz war vom Brückenoffizier nicht einzusehen, selbst wenn er Adleraugen gehabt hätte. Ich sollte vorher die erste Pflichtmeldung absetzen, überlegte sie. Nichts Außergewöhnliches. Grobe See, steifer Wind und Spritzwasser, mehr nicht. Durch das Glas war nichts zu sehen, was sie hätte melden müssen. Sie setzte es ab und gab sich ihren Gedanken hin. Wie würde sie sich am schnellsten der Hilfe ihres Vaters versichern können? Keine Plaudereien, knappe, konzentrierte Ansage, ruhig und bestimmt, sprach sie sich Mut zu. Bei dem herrschenden Wetter konnte sie ohnehin keine komplizierten Gespräche führen. Es musste schnell gehen.
    »Brücke von Back. Kommen!«, meldete sie sich routinemäßig.
    »Brücke hört.«
    »Keine besonderen Vorkommnisse. Entgegenkommer achteraus. Keine weiteren Kontakte. Back klar.«
    »Roger and over.«
    »Roger and over.«
    Sie steckte das Gerät

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