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Mordshunger

Titel: Mordshunger Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frank Schätzing
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zu sein. Sein Fuß stieß gegen etwas Weiches, und er fuhr zurück.
    Es war eine Frauenhand gewesen. Glaubte er zumindest.
    Schramm begann, eine zittrige Melodie zu summen. Er ging in die Hocke und bekam ein Büschel Haare zu fassen. Langes Haar, wie es die Barneck trug.
    Keine Regung. Er fuhr mit den Fingern durch die Strähnen, erreichte seltsam kaltes Fleisch, den Nacken. Glitt ab. Gewebe teilte sich, und seine Hand tauchte ein in etwas Feuchtes, Klebriges.
    Tief. Zu tief.
    Jetzt war es Schramm, der schrie.
    Nachtschicht
    »Und dazu ein Dutzend fein gehackte Schalotten.«
    »Ich denke, Zwiebeln?«
    »Mann, Rabenhorst! Sie lernen’s nie. Zwiebeln vorher für die Füllung. Die Schalotten streut man drüber, wenn die Entenbrust im Bräter liegt.«
    »Dann kommt der Rotwein?«
    »Ja, und Blut. Früher hatten sie für so was eine Spezialpresse, wo das ganze Gerippe reinkam, um den letzten Tropfen rauszuquetschen. Man denkt, so eine Ente hat viel Blut, von wegen.«
    »Kein Wunder. Läuft ja aus, wenn man den Kopf abhaut.«
    »Nichts läuft aus, das ist nämlich der Trick. Die Ente muss all ihr Blut behalten. Also erstickt man sie.«
    »Was, die Ente wird erstickt?«
    »Richtig«, nickte Cüpper.
    Rabenhorst starrte seinen Chef aus runden Augen an. Mit einem Schnabel, fand Cüpper, hätte er ausgesehen wie die Ente im Bewusstsein ihres letzten Lebewohls. Schweigen entstand, dann senkten beide den Blick. Rabenhorst artikulierte sich in einer Kaskade von Räuspern und fand endlich seine Sprache wieder.
    »Kein schöner Tod.«
    »Nein«, bestätigte Cüpper.
    Vor ihnen lag der Körper einer Frau. Die Polizisten hatten sie herumgedreht, so dass die Augen einen Punkt im Irgendwo fixierten. Schwarzes Haar umfloss ein ebenso schönes wie kalkweißes Gesicht. Darunter hatte sich bis vor kurzem noch ein makelloser, schlanker Hals erstreckt. Cüpper dachte an Marie Antoinette. Der Mörder hatte ihr die Kehle durchgeschnitten, dass es einer versuchten Guillotinierung gleichkam.
    Sie war leer bis auf den letzten Tropfen. Drumherum sah es aus wie in einem Schlachthaus.
    »Ist die arme Seele inzwischen eigentlich vernehmungsfähig?«, fragte Cüpper.
    »Wer, Schramm?«
    »Wer sonst?«
    »Ich geh mal schauen.«
    Cüpper gähnte. Es war 1.12 Uhr. Er hatte kaum im Bett gelegen, als das Telefon schellte. Die frohe Botschaft lautete, dass ein hysterisch schreiender Mann im fünften Stock des Bazaar de Cologne über eine Leiche gestolpert war. Seltsam, dachte Cüpper. In Büchern und Filmen sind es immer die Frauen, denen angesichts irgendwelcher Ungeheuer, Übeltäter oder Leichen spitze Kreischer entfahren. Beim Weglaufen stolpern sie, kreischen wieder und müssen tollkühn gerettet werden, was der Held natürlich ungeachtet aller Bedrohung auf sich nimmt. Hievt man sie auf Pferde, speziell im Western, fallen sie wieder runter, selbstverständlich kreischend. Prügeln sich Polizist und Bösewicht im Krimi, stehen sie daneben und schaffen es, so lange zu kreischen, bis der blutüberströmte Gute den blutüberströmten Bösen endlich alle gemacht hat.
    Cüpper schüttelte den Kopf. Bis heute hatte er viele beherzte Frauen kennen gelernt. Männer hingegen knatschten wie die Kinder.
    »Schramm, Herr Cüpper.«
    »Ah, Schramm.«
    Schramm war nicht mal vierzig, sah aber mindestens so tot aus wie die Frau da auf dem Boden. Seine Augen waren rotgerändert.
    »Es ist furchtbar«, flüsterte er.
    »Sicher ist es furchtbar«, sagte Cüpper. »Wollen Sie eine Zigarette?«
    »Nein«, jammerte Schramm.
    »Alle nervösen Leute wollen eine Zigarette.«
    »Ich rauche nicht.«
    »Lobesam. Wie gut kannten Sie Inka von Barneck?«
    Schramms Gesichtsausdruck verriet Cüpper auf Anhieb, dass er sie wohl gerne besser gekannt hätte. Man habe sich verschiedene Male im Treppenhaus gesehen. Auch im Fahrstuhl.
    »Und Sie haben nie mit ihr gesprochen?«
    »Ich habe … ich wollte …« Schramms Unterkiefer bebte.
    »Haben Sie sie umgebracht?«
    Der Unterkiefer kam zur Ruhe.
    »Wie bitte?«
    »Nein, haben Sie nicht«, konstatierte Cüpper. »Entschuldigen Sie, aber es gibt Reaktionen, die man nur durch wohlgezielte kleine Schocks erhält.«
    »Mir reicht’s für heute mit den Schocks!«, schrie Schramm, um gleich darauf in sich zusammenzufallen. Cüpper musste wieder gähnen und gab Rabenhorst ein Zeichen, den Mann nach draußen zu bringen. Todmüde begann er, das Apartment zu inspizieren, in dem die Leute von der Spurensicherung schon emsig nach Godzillas

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