Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Mordsmöwen

Mordsmöwen

Titel: Mordsmöwen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sine Beerwald
Vom Netzwerk:
langsamer«, ruft Suzette, die dicht an der Seite von Alki fliegt, damit der bei seiner bedenklichen Kurvenlage nicht vom Kurs abkommt. Alki wurde von seiner Mutter in einem angespülten Rumfass ausgebrütet, weil sein Vater diesen Hohlraum für ein prima Nistversteck hielt. Schon als Jungmöwe hat man ihn deshalb Alki gerufen, und seine Großmutter, die das immer als ein schlechtes Omen angesehen hatte, behielt recht.
    Vielleicht hat unser Mensch auch einen über den Durst getrunken?
    Über dem Westerländer Campingplatz gehen wir tiefer. Wir überfliegen das Südwäldchen, das sich angesichts der sehr überschaubaren Baumansammlungen auf der Insel als solches bezeichnen darf, kreuzen die beiden Hauptbeutemeilen der Menschen und halten auf die Marinesiedlung zu. Balthasar weiß, dass Knut in diesem nördlichen Teil von Westerland in einer Souterrain-Wohnung lebt. Zielsicher geht er zum Landeanflug auf ein Reetdachhäuschen über und lässt sich auf dem das Gelände umgrenzenden Friesenwall nieder. So ein Friesenwall besteht aus aufgeschichteten Findlingen mit einer darauf liegenden Erdschicht für hübsche Bepflanzungen oder (wie in diesem Fall) einer Grasnarbe (der Variante für faule Gärtner). Selbst Alki landet punktgenau. Unser Scheff allerdings verfehlt die breite Steinmauer um eine Möwenlänge. Wie ein Blechvogel ohne ausgeklapptes Landefahrwerk schmiert Baron Silver de Luft durchs Vorgärtchen. Sein Schnabel bremst ihn schließlich an der Hauswand.
    Er steht auf und schüttelt sich, dreht sich breitbeinig zu uns um, rückt seine Thunfischdose auf dem Kopf gerade und guckt grimmiger, als eine Möwe normalerweise gucken kann. »Wehe, einer von euch lacht«, brummelt er, flattert auf das reetgedeckte Spitzdach über der grünen Eingangstür und schaut demonstrativ auf uns herab. »Sieht einer das Auto von unserem Mensch-Knut?«
    Kollektives Kopfschütteln.
    »Dann können wir uns das Geschrei also sparen«, sagt der Baron und ordnet sich die zerzausten Federn.
    Balthasar geht mit auf dem Rücken verschränkten Flügeln und leicht gesenktem Kopf auf dem Friesenwall auf und ab. »Das bedeutet wohl, unser Dealer hat einen Termin und macht heute später auf.«
    »Nur wann?«, fragt Helgi zweifelnd. »Er kann schließlich auch aufs Festland gefahren sein.«
    »Das ist doch alles Scheiße hier«, mault Grey und kickt mit der gespreizten Schwimmhaut in die Luft.
    Baron Silver de Luft breitet die Flügel aus und bittet um Ruhe. »Keine Sorge, unser Ernährungssystem ist nicht in Gefahr. Die Crêpes sind sicher. Bis zum Mittagessen wird sich alles geregelt haben. Wir müssen uns unser Frühstück heute nur ausnahmsweise in der Stadt besorgen.«
    »In Westerland?«, fragt Harry ungläubig. »Ohne mich. Ich bin Vater und habe Verpflichtungen. Eine davon ist, am Leben zu bleiben. Die Reviere sind klar aufgeteilt. Mit einem Türsteher vor einer Bäckerei sollten wir uns selbst als Gruppe nicht anlegen, die Fischbuden sind inselweit in der Hand der Veggie-Möwen, und sämtliche Eistüten gehören der organisierten Jungmöwenbande Coolice. Zudem werden die Touris in der Stadt überall durch Schilder vor uns gewarnt. Das ist ein hartes Pflaster. Da haben wir nirgendwo eine Chance.«
    »Wow, Daddy steht auf Drama heute«, lästert Grey und erntet dafür wieder eins mit dem Flügel.
    »Ahoi«, ruft der Scheff, »du checkst die Lage. Wie immer im Team mit Jonathan und Suzette.«
    Ich lege den Kopf schräg, will aber nicht laut an der Entscheidung unseres Scheffs zweifeln. Sonst arbeite ich gern mit Jonathan und Suzette zusammen, aber für diesen heiklen Angriff erscheinen mir die zwei weniger geeignet. Suzette sorgt sich zu sehr um ihre Federn, und Jonathan ist zwar clever und beeindruckt mit tollen Ablenkungsmanövern, er ist allerdings sehr konfliktscheu, um nicht zu sagen: harmoniesüchtig. Harry hält ihn für ein Weichei.
    Mir ist eigentlich ziemlich egal, in welcher Schale Jonathan ausgebrütet wurde, aber eine andere Tatsache gibt mir zu denken: Jeder von uns, die Jungmöwe Grey ausgenommen, hat irgendwo flügge gewordene Kinder herumfliegen. Nur Jonathan nicht. Eine Möwe kann sich einmal im Jahr verpaaren, zum ersten Mal mit vier bis fünf Jahren. Jonathan ist zehn Jahre alt, intelligent, sieht gut aus, achtet sehr auf sein Federkleid und ist bei den Damen als Teilzeitbrutpfleger ausgesprochen begehrt. Jonathan hat aber noch nie teilzeitbrutgepflegt. Muss ich noch mehr sagen?
    Baron Silver de Luft sieht meinen

Weitere Kostenlose Bücher