Mordsucht
kam um den Tisch herum zu mir.
Anscheinend war ihr meine Bestürzung nicht entgangen.
»Schlimme Sache …« Ich gab ihr die Akte.
Sie überflog die Details und verzog das Gesicht. »Dem Mann wurde der Kopf abgetrennt und die Haut vom Leib gezogen? Wozu?«
»Vielleicht, um eine Identifikation zu verhindern? Wir wissen bis heute nicht, wer der Tote ist. Seine DNS ist in keiner Datenbank gespeichert und das Fehlen der Haut macht Fingerabdrücke unmöglich.«
»Und der verschollene Schädel verhindert eine Identifizierung durch ein Zahnschema oder einen öffentlichen Aufruf mit einem Foto«, warf Diana ein.
Ich rieb mir das Kinn. »Wäre es für den Täter nicht bequemer gewesen, die Fingerkuppen abzutrennen? Weshalb die Sache mit der Haut?«
»Das wäre um einiges einfacher gewesen, das muss Stunden gedauert haben. Ich denke, da steckt noch was anderes dahinter, als nur die Identität zu verschleiern.«
»Ein Fetisch? Ein Zwang, Ritual?«
»Möglich … hat jemand mitbekommen, wie die Leiche abgelegt wurde?«, fragte Diana.
Ich blätterte die Akte durch und fand das Blatt mit den Zeugenaussagen. »Nein, nur die Frau, die den Toten gefunden hat, wurde befragt. Sonst hat niemand was gesehen.«
»Gab es Spuren?« Der Fall schien sie brennend zu interessieren.
Jeder war es wert, gelöst zu werden, aber auch mir juckte bei diesem die Nase. Irgendetwas fesselte mich, gab mir ein Gefühl, hier eine Fährte finden und den Täter schnappen zu können.
»Nein, die Forensik entdeckte an Ablageort und Leiche nichts. Die Ermittler hatten damals keinen Ansatzpunkt und legten den Fall nach einem Jahr zu den Akten.«
»Wer waren die Beamten?«, wollte sie wissen.
Ich blätterte zum Ende des Dokuments. »Kalle Meyer und Gerd Baack.«
»Kennst du die beiden?«, fragte Diana.
»Kalle ist mittlerweile im Ruhestand und Gerd arbeitet jetzt beim BKA.«
»Wir sollten sie befragen, wenn wir mit den Akten durch sind.«
Ich nickte und legte den Ordner zur Seite, damit er nicht später im Wust der Morde, Vergewaltigungen und Entführungen unterging.
Diana setzte sich wieder und wälzte weiter die alten Fälle. Ihre Augen starrten angestrengt auf die Berichte von nackter Gewalt und unnötiger Verbrechen, die in den zurückliegenden Jahren in Duisburg geschehen waren. Für mich war es unvorstellbar, jemanden aus Lust und Laune zu ermorden oder Frauen gegen ihren Willen zu Sex zu zwingen. Wie Gegenwart und Vergangenheit zeigten, gab es genug Verrückte, Soziopathen, Sadisten und notgeile Penner, die einem friedlichen Miteinander den Garaus machten und das aus den verschiedensten Gründen. Tötete der eine aus Geldgier, so gefiel es dem anderen, Menschen zu quälen, und getrieben von seiner Erregung nach dem ersten Mord suchte er sich weitere Opfer, um den Kick erneut zu spüren.
Das Teufelchen kam zu Wort: »Und es gibt kranke Schweine wie deinen Schwager, nicht wahr?«
Die gab es, da musste ich ihm zustimmen …
Ich nahm mir den nächsten Ordner. Ein Banküberfall, bei dem 2006 eine Angestellte mit einer großkalibrigen Waffe erschossen wurde. Ob es Absicht oder ein Unfall war, konnten die Zeugen des Überfalls nicht sagen. Sie lagen mit den Gesichtern auf dem Boden und hörten, wie die zwei Räuber Geld von der Frau forderten und dass nach einem hitzigen Wortgefecht ein Schuss fiel. Fluchend rannten die Männer aus der Bank. Die Videoaufzeichnungen zeigten später den ermittelnden Beamten, dass sich der Schuss nicht aus Versehen gelöst hatte. Einer der Räuber hielt ihr die Waffe an die Stirn und drückte ab. Der Schädel der Frau zersprang in tausend Teile und ihr Körper fiel wie ein nasser Sack zur Seite. Die Ermittler verfolgten die Täter bis nach Frankreich, danach verlor sich ihre Spur. Untergetaucht, versteckt und zu einem Leben auf der Flucht verdammt – geschah ihnen ganz recht. Ob sie jemals gefasst werden konnten, wenn sie sich im Ausland verbargen, war fraglich. Mir fielen keine Unstimmigkeiten auf und ich fand keine neuen Ansätze, auf denen Diana und ich hätten aufbauen können. Ich legte den Fall weg, rieb mir die Augen und streckte mich. Meine Schultern beschwerten sich lautstark knackend.
»Ist es das Alter oder sind wir eingerostet, Herr Ratz?«, fragte Diana.
»Ich schätze beides«, gab ich ehrlich zu.
Ein halbes Jahr krankheitsbedingt nicht arbeiten zu können und stark auf die Vierzig zuzugehen, konnten einem das Leben schon schwer machen.
»Du solltest mit Sport anfangen.« Sie beäugte mich
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