Mordsucht
schwer. War HeaterAD ein Spinner, der sich mit erfundenen Durchbrüchen brüstete, oder war ihm etwa das gelungen, was David noch nicht vollbracht hatte? Es gab nur einen Weg, es herauszufinden. Er klickte HeaterADs Profil an, wählte die Option private Nachricht senden aus und starrte einige Sekunden auf das leere Textfenster.
Warum er zögerte, wusste David nicht, irgendetwas kam ihm an der Sache seltsam vor. Sollte er vielleicht von einer Kontaktaufnahme absehen? Seine Finger schwebten über der Tastatur, sie zitterten leicht und unterstrichen damit seine Anspannung. Was, wenn der Typ nur ein Irrer unter vielen im Forum war, der dicke Eier vorgaukelte, in denen sich bloß heiße Luft befand? Konnte David mit einer Enttäuschung leben, sollte sich HeaterADs Lösung als Häme an der Arbeit herausstellen?
Wenn du ihn nicht fragst, wirst du es nie herausfinden …
David tippte in die Betreffzeile »Essenz« ein und setzte ein Schreiben auf, das keine Missverständnisse zuließ.
Während die Nachricht ihren Weg durch das weite Internet nahm, lehnte er sich im Stuhl zurück und wartete auf eine Antwort. Falls diese bald kam, konnte er HeaterADs Wissen eventuell an dem Exemplar ausprobieren, das vor seinen Füßen lag.
Nach endlos langen Minuten aktualisierte er den Browser und sein Herz schlug ihm bis zum Hals. Er hatte eine neue Nachricht. David öffnete sie und in seinem Bauch breitete sich ein wohliges Kribbeln aus. Sie war von HeaterAD. Er wollte David vielleicht in seine Kunst einweihen, allerdings nur unter ein paar Bedingungen …
Kapitel 10
»Ich hol mir einen Kaffee.« Diana warf eine Akte auf den Tisch. Sie streckte sich und rieb sich die Augen.
Ich schaute auf die Uhr und stellte fest, dass wir bereits seit sechs Stunden über den alten Fällen brüteten. Zeit für eine Pause.
»Willst du auch einen?«
»Gerne!« Ich legte den Ordner aus der Hand, nahm meine Arbeitstasche vom Boden auf und durchforstete sie nach meinem Sandwich, das ich mir für die Arbeit zubereitet hatte.
Diana starrte mein karges Mittagessen gierig an. »Sieht lecker aus.«
Ich stöhnte auf und lehnte mich im Stuhl zurück. »Hast du etwa immer noch nicht gelernt, dir Essen mitzunehmen?«
Diana schüttelte den Kopf und murmelte: »Ich bin morgens zu sehr im Stress und vergesse es immer.«
Seufzend legte ich die Hälfte meines Sandwiches auf ihre Seite des Tisches.
»Danke, Tomas.« Sie lächelte mich an. »Ich hol eben den Kaffee.«
Ich sah ihr nach, als sie mit wiegenden Hüften den Raum verließ. In dem Moment wusste ich, dass ich meinen Job an den Nagel hängen würde, um mit ihr zusammen zu sein. Aber die Aussicht auf ein Liebesabenteuer mit meiner Kollegin war in weite Ferne gerückt. Ich musste darüber nachdenken, ob ich mit ihr in einem Team arbeiten konnte. Was gab es Schlimmeres, als unglücklich verliebt in eine Frau zu sein, die man jeden Tag ganz nahe bei sich hatte?
Ich biss in mein Sandwich und kaute abwesend auf dem trockenen Stück Brot herum. Heute Abend musste ich ihr alles gestehen. Ohne Rücksicht auf Verluste. Egal, ob sie meine Gefühle mit einem: »Sorry, Tomas, aber so jemanden wie dich möchte ich nicht in meinem Bett haben« , verletzte oder nicht, ich musste mit offenen Karten spielen. Vielleicht ging es mir danach besser.
Die Tür öffnete sich und Diana quetschte sich ungeschickt mit zwei Tassen in den Händen hindurch. Ich sprang auf und nahm ihr eine ab.
»Vielen Dank für deine frühe Hilfe!« Wie hatte ich ihren Sarkasmus vermisst …
Wir setzten uns wieder an den Tisch, tranken Kaffee und aßen mein Sandwich, das wohl keinen Michelin-Stern bekommen würde.
»Schmeckt ' s?«, fragte ich.
Sie schluckte schwer und ich konnte fast sehen, wie sich ein gewaltiger Klumpen den Weg durch ihre Speiseröhre bahnte. Ihr zarter Hals beulte sich für einen kurzen Moment aus, ehe der Brocken in ihrem Magen landete.
»Ein bisschen trocken«, gestand sie. »Ich hoffe, heute Abend ist das Essen besser.«
»Das wird es.« Ich hoffte wenigstens, dass dem so sein würde. Wie lange war ich nicht mehr in einem Restaurant gewesen? Zumindest seitdem meine Frau und meine Tochter bei dem Unfall ums Leben gekommen waren. In einem Jahr konnte viel passieren und ich wusste nicht, ob unser damaliges Lieblingsrestaurant noch dieselbe Qualität aufwies.
Nach der kleinen Stärkung gingen wir mit neuem Elan an die alten Fälle. Diana schien in ihrem Element zu sein. Sie arbeitete eine Akte nach der
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