Morgenrötes Krieger
„Heranreifende“, obgleich er ihr Alter kaum zu schätzen vermochte. Sie hätte sechzehn oder auch achtundzwanzig Jahre alt sein können. Die Reifeperiode der Ler reichte gewöhnlich bis zum dreißi g sten Lebensjahr. Unterschwellig sah er in ihr nicht so sehr ein Mitglied ihrer eigenen menschenverwandten Rasse, sondern schlichtweg ein junges Mädchen. Ihre Gesichtszüge waren klar und ebenmäßig – ohne besond e re Kontraste; ihr hellbraunes naturfarbenes Haar war kurz geschnitten, glatt herabfallend und von extrem feiner Struktur.
Ihre ganze Erscheinung hatte etwas unergründlich W i dersprüchliches an sich: ein jugendlicher Lehrling mit der Weisheit des Alters. Schmale, hübsche Nase und breiter, voller Mund. Keine Schönheit nach menschlichen Maßstäben, dennoch strahlte sie in ihrer eindeutig-direkten Art eine große Attraktivität aus. Ihre Augen w a ren wohl das Bemerkenswerteste an ihrem Gesicht: große graue Augen, in denen die Pupillen bis auf zwei kleine weiße Ecken stark dominierten. Ein schwach gelber Ring teilte klar abgegrenzt die innere von der äußeren Iris. Han mußte wegsehen. Es waren Augen, die ihn durchdri n gend und wissend anschauten. Sein Blick wanderte zu Lenkurian, dem anderen jungen weiblichen Ler hinüber. Richtig, es gab einen deutlichen Unterschied: Liszendir war um einige Grade hübscher.
Hetrus machte einige einleitende Bemerkungen und forderte sodann die Anwesenden auf, sich eine Tonban d aufnahme anzuhören, die er über Fernbedienung ei n schaltete. Zuerst jedoch erfuhr man, daß es ein Band der „Sicherheitsunion“ war, auf dem ein Interview mit dem Händler Edo Efrem, einem Handelsmeister, aufgezeic h net war. Han hatte diesen Namen zuvor noch nie gehört und vermutete deshalb, daß Efrem nicht aus dem Glan z meer-System stammte, sondern von einem weit entfer n ten Planeten.
Das Tonbandinterview hatte den folgenden Text:
„Fahre fort, Händler Efrem!“
„Nun ja, wie ich schon sagte, ich steuerte Richtung Chalcedon, um einige Geschäfte abzuwickeln und um einmal zu sehen, wie die Dinge dort stehen. Von uns kommt in diese entlegene Ecke nur selten einer, und so war ich sicher, daß ich dort eine Ladung einfachen Werkzeugmaterials loswerden konnte, die ich vorher … äh … als Spekulationsposten, sozusagen, erstanden hatte. Ich kam nachts an, so daß man natürlich keine sehr gute Sicht hatte. Wir bauten unseren Stand auf und warteten bis zum nächsten Morgen. Aber niemand kam. Ich schic k te meinen Mannschaftsältesten in das Stadtgebiet, um zu sehen, ob da irgend jemand aufzutreiben war. Nach langem Warten kam er mit einer Handvoll Leuten zurück. Zu meiner Überraschung beide Arten. Muß zugeben, daß ich vorher noch nie auf Chalcedon war und deshalb auch nicht wußte, daß …“
„Schon gut, wir wissen über diese Eigenart des Plan e ten Chalcedon Bescheid. Fahre bitte fort!“
„Na schön, um die Sache abzukürzen: Sie wurden überfallen. Nun ja, natürlich hört man eine Menge G e schichten, aber es kommt selten vor, daß man mit den nackten Tatsachen konfrontiert wird. Später machte ich einen Rundflug um den Planeten:
Ü berall die gleiche Zerstörung. Einige der Explos i onskrater waren noch heiß. Offensichtlich hatten sie nach ihrer Ankunft das Gebiet bombardiert, waren g e landet und hatten Gefangene gemacht. Sie blieben etwa einen Monat, verschwanden dann urplötzlich und hinte r ließen eine unglaubliche Verheerung. Ich selber ließ so viele Sachen und Verpflegung zurück, wie ich es mir g e rade noch leisten konnte, dann kam ich auf dem kürz e sten Weg hierher zurück.“
„Gab man dir eine Beschreibung der Räuber?“
„Ja, das ist es auch, was mich am meisten irritierte. Ich kann mir darauf keinen Reim machen. Beide – Me n schen wie Ler – beschrieben sie als ‚Ler-Barbaren’. Sie waren alle entweder kahlgeschoren oder hatten ihre Haare zu Zöpfen geflochten und mit Federn geschmückt. Sie trugen Lendenschürze und einige sogar Tätowieru n gen. Es waren ohne Zweifel und ganz eindeutig Ler.“
„Dies läßt sich mit Bestimmtheit sagen?“
„Absolut. Die Meinungen sind einhellig.“
„Was weißt du über die Gefangenen?“
„Nach dem, was wir erfahren konnten, wurden nur wenige Ler entführt, dafür um so mehr Menschen. Die Einheimischen waren zuerst der Meinung, daß es um die Erpressung von Lösegeldern gehe; später jedoch, als einige Zeit verstrichen war, ohne daß man etwas gehört hatte, schien Sklavenraub das
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