Morgenstadt - wie wir morgen leben
entwickeln. Die Morgenstadt könnte dies nachahmen – als lebender Organismus aus Wohn-, Arbeits-, Produktions-, Transport- und Versorgungssystemen, die den Erhalt der ‚Stadt‘ und damit auch von uns Menschen in Einklang mit der Umwelt gewährleisten“, sagt Steffen Braun vom IAO, zuständig für die Forschungskoordination innerhalb der Morgenstadt-Initiative.
Der Vergleich der Morgenstadt mit einem naturangepassten Ökosystem mag für das heutige Verständnis etwas weit gegriffen sein, scheint aber als langfristige Konsequenz eine logische Argumentation für die Zukunft unserer Städte. Bereits heute lassen sichzahlreiche Trends und Signale erkennen, die eine Verschmelzung organischer, technischer und digitaler Systeme in der Stadt der Zukunft in neuen Ausmaßen erwarten lassen.
Es ist die große Herausforderung – ausgehend von dieser Vision oder Utopie –, konkrete Handlungsempfehlungen oder Leitlinien für die Zukunft unserer Städte abzuleiten. Die Ära der städtebaulichen Leitbilder endet momentan bei der Leipzig-Charta 163 mit dem Fokus auf die nachhaltige europäische Stadt. Um wissenschaftliche Grundlagen und Diskussionsimpulse für eine solche Leitvision zu schaffen, hat die Fraunhofer-Gesellschaft in ihrer Initiative „Morgenstadt“ 164 einen multidisziplinären Szenarioprozess initiiert. 12 Fraunhofer-Institute haben unter der Leitung des IAO ihre Kompetenzen in den Bereichen Technologie-, Prozess- und Bedarfsfelder für die Stadt der Zukunft gebündelt, um mögliche Entscheidungsschritte und Forschungsthemen auf dem Weg hin zur Morgenstadt aufzuzeigen. „Wir leiten mit diesen Szenarien einen umfassenden und multidisziplinären Ansatz zur Unterstützung dieser Initiative ein“, sagt Michael Bucher vom IAO. „Unsere Vorstellung und unser Leitbild ist die nachhaltige, lebenswerte und wandlungsfähige Stadt. Wir möchten damit das Nachdenken über mögliche Entwicklungspfade und die Ausgestaltung anregen.“ Dafür haben die Wissenschaftler drei Szenarien entwickelt, die in sich konsistente Zukunftsbilder aufzeigen.
Sie tragen die Titel „Starke Stadt“, „Starke Bürger“ und „Starke Stadtteile“ und beschreiben wahrscheinliche Entwicklungen, wie sich unsere mitteleuropäischen gewachsenen Städte in Deutschland und Europa in den nächsten 20 bis 30 Jahren verändern können, Zukunftsszenarien zu anderen Regionen sollen folgen. Sie sollen identifizieren, bei welchen Technologien noch Nachholbedarf besteht, und Antworten geben, welche Akteure die Verantwortung für die nachhaltige Transformation unserer Städte übernehmen. Im ersten ist es die Stadtverwaltung als zentraler Koordinator der kommunalen Energiewende, unterstützt durch Systempartner aus der Industrie, im zweiten die Bürger als unabhängige und selbständige Verbraucher und Erzeuger, die digital vernetzt ihren ökologischen Fußabdruck minimieren, und im dritten eine neue Unabhängigkeit einzelner Stadtteile, möglich gemacht durch dezentrale Energieversorgungskonzepte und gemeinwohlorientierte Genossenschaftsmodelle. 165
Je nach Szenario gilt es, unterschiedliche Technologien, Prozessinnovationen und Planungswerkzeuge systematisch zu entwickeln, um Stadtsysteme im Hinblick auf Energie, Mobilität, Kommunikation, Produktion, Logistik, Gebäude und Sicherheit langfristig zu transformieren. Denn die zentrale Frage für die Zukunft unserer Städte muss lauten: „Wie wollen wir in der Morgenstadt leben und arbeiten?“ Wenn es uns gelingt, dafür ein gemeinsames und bedarfsorientiertes Leitbild zu entwickeln, werden wir diese Vision auch erreichen.
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