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Mozart - Sein Leben und Schaffen

Mozart - Sein Leben und Schaffen

Titel: Mozart - Sein Leben und Schaffen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl Storck
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heraussuchte, doppelt charakteristisch.
    Es ist für Mozart charakteristisch, daß wir fast nichts von dieser Arbeit der Produktion merken, in der das innerlich erschaute Werk seine Gestaltung für die Mitteilung an die äußere Welt erfährt. Diese ganze Arbeit wird in einer sonst unerhörten Weise innen vollzogen. Wir haben von Mozart fast keine Skizzen, und die vorhandenen wirken mehr als Notierung wertvoller Einfälle denn als Vorbereitungsarbeiten oder Vorstadien eines bestimmten Kunstwerkes.
    Die Gestaltung ist in der Musik, technisch betrachtet, das Aufzeichnen in Noten, also etwas der Schreibarbeit ähnliches. Immerhin wäre es falsch, diese Notenschreibarbeit etwa der Niederschrift eines innerlich fertiggemachten Gedichtes zu vergleichen. Die formale Arbeitsleistung ist in der Musik eine unendlich verwickeltere. Eine Orchesterpartitur mit ihrer Verteilung der Melodieführung und der Tonfarben an die verschiedenen Instrumente kann man viel eher einer Radierung mit ihrer Verteilung von Hell und Dunkel vergleichen als einer Wortniederschrift. Der Dichter arbeitet in den Worten mit festgeprägten Begriffen, für den Musiker dagegen ist ein einzelnes, noch so inhaltreiches Motiv für die letzte Umarbeitung noch schier ein Nichts, nicht mehr als der Gedanke, der erst der Formulierung bedarf. Also wenn bei Dichter und Musiker die Mitteilungsform an die Außenwelt in der Arbeit scheinbar dieselbe ist, so ist die Gestaltung beim Musiker doch ein viel verwickelterer Prozeß. Man mag es sich so vorstellen, wie wenn ein Maler ohne vorangegangene Zeichnung,ohne Untermalung oder dergleichen ein großes Ölgemälde so schüfe, daß er in der einen Ecke anfinge, überall gleich den endgültigen Farbenton hinsetzte und so das ganze Bild glatt hinmalte, wie es vor seinem innern Auge steht. Ein solcher Gedanke wirkt geradezu unsinnig; aber Mozart hat derartiges geleistet. Die Entstehungsgeschichte der Ouvertüre zum »Don Juan« – sie wurde in körperlicher Erschöpfung in der Nacht vor der Aufführung geschrieben – ist ein solches Wunder. Ein anderes Mal hat er ein Orchesterwerk, den ergötzlichen musikalischen Spaß einer »Bauernsinfonie« gleich in Stimmen hingeschrieben, was im Grunde noch erstaunlicher ist als der oben angeführte Fall, weil das nicht nur ein völlig genaues Klangbild voraussetzt, sondern auch ein schier unbegreifliches Gedächtnis, das genau weiß, wo und wie lange die einzelnen Instrumente zu pausieren haben, wo sie, rein zeitlich genommen, wieder mit den anderen zusammentreffen und dergleichen. Wieder eine andere Variante zeigt der Fall mit der Geigerin Strinasacchi, der er eine Violinsonate für ein gemeinsames Konzert versprochen hatte. Am Abend vorher war noch nichts fertig. Sie bittet, beschwört ihn so lange, bis er ihr schließlich die Violinstimme schreibt. Sie übt noch schnell ihren Part ein, und beim Konzert ernten beide großen Beifall. Der Kaiser Joseph aber, der zugegen war, erkannte durch die Lorgnette, daß Mozart keine Noten vor sich hatte. Er bittet ihn deshalb zu sich und verlangt die Sonate. Da stellt sich heraus, daß außer der Violinstimme nichts aufgeschrieben ist, Mozart also im Augenblick den Klavierpart zu der Violinstimme erfunden hatte. Mozart besaß also die Fähigkeit, innerlich etwas ganz fertig zu machen, so daß er nachher gewissermaßen die dem Gehirn als fertiges Bild vorschwebende Partitur einfach mit den Händen abschrieb. Das war dann so mechanische Arbeit, daß er keiner musikalischen Beihilfe – etwa des Klaviers – dazu brauchte, daß ihn leichtes Geplauder eher anregte als störte, daß er, wie seine Frau sich äußert, »Noten schrieb wie Briefe«. Vom wunderbarsten Beispiel aber gibt zweifellos folgender Brief (30. April 1782) an die Schwester Kunde: »Hier schicke ich Dir ein Präludio und einedreistimmige Fuge. Das ist eben die Ursache, warum ich Dir nicht gleich geantwortet, weil ich – wegen des mühsamen kleinen Notenschreibens nicht habe eher fertig werden können. – Es ist ungeschickt geschrieben, – das Präludio gehört vorher, dann folgt die Fuge darauf. – Die Ursache aber war, weil ich die Fuge schon gemacht hatte und sie unterdessen, daß ich das Präludium ausdachte, abgeschrieben.« Also während er eine so schwierige, höchste Aufmerksamkeit erheischende Abschrift fertigstellte, war Mozart zur »innerlichen« Produktion eines neuen Werkes imstande.
    Erst so verstehen wir nun recht, was Mozart darunter verstand, daß er »ganz in

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