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Mozart - Sein Leben und Schaffen

Mozart - Sein Leben und Schaffen

Titel: Mozart - Sein Leben und Schaffen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl Storck
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gewaltige Ausdruckskraft immerhin einer Einengung des rein und nur Musikalischen zu danken ist.
    Da diese Weltanschauung der Beethovenschen Musik der seelischen Veranlagung der neuesten Zeit entspricht, bewirkt, daß Beethovens Musik uns heute näher steht, uns tiefer packt als jede andere. Daß aber die urmusikalische Kraft eines Bach an sich stärker ist, daß vor allem die rein musikalischen Wirkungen Mozarts auf unendlich größere und weitere Schichten der Welt sich erstrecken können, scheint mir unzweifelhaft festzustehen.
    Für mein Empfinden ist Mozart noch viel reiner musikalisch als Bach. Man sollte bei Bach nicht immer gleich an die Fugen denken. Wenn wir das Riesenwerk der Bachschen Kantaten ansehen, erkennen wir am deutlichsten, wie diese Kunst aus dem Erleben und Mitleben aller Qualen, aller schweren Probleme der Zeit, ja der Menschheit überhaupt hervorgewachsen ist. Gewiß ist von allen Musikern in Beethoven am meisten und deutlichsten das Promethidenhafte, das Titanische, das Heldenhafte ausgeprägt; das Faustische, das an sich ja viel weniger Heldentum ist, das mehr die Versenkung in die Tiefe als die Erstürmung der Höhe bedeutet, lebt wohl noch gewaltiger in Bach, und es ist nur die Tatsache, daß in seinem Jahrhundert alles Denken sich innerhalb der äußeren Grenzen der dogmatischen Glaubensvorstellungen und eines kirchlich religiösen Empfindens bewegte, was uns diese faustische Art Bachs so leicht verkennen läßt. In Mozart fehlt alles dieses Titanische, Faustische und Promethidenhafte. Seine Schöpferkraft ist von göttlicher Art, ist Wonne des Schaffens . Die Qualen des menschlichen Ringens, der Krampf des Hervorbringens fehlt. Und das ist ja der Unterschied zwischen göttlichem und prometheischem Schaffen, daß dieses aus dem Gegensatz zu jenem die Befruchtung erhält und darum Kampf ist, daß dagegen jenes voll der göttlichen Heiterkeit ist, die da sagt: Ich will , daß es werde, und nachher sieht, daß das Gewordene gut ist, wie es das Gewollte war.
    Gerade Goethe fühlte bei Mozart diese blühende, sonnige Schöpferkraft. Bei jeder Gelegenheit, wo er auf das Genie zu sprechen kommt, sei es nun, daß er dessen gewaltige Wirkungen preist oder das wunderbare Unbegreifliche im Schöpfungsprozesse betont, nennt er Mozarts Namen als leuchtendes Beispiel. Ihm erschien Mozart gewissermaßen als ein Gefäß, in dem die göttlichen Schöpferkräfte der Musik schalteten; als eine Kraft, deren sie sich mit überirdischer Gewalt zur Aussprache bedienten. Gerade im Hinblick auf Mozart verwarf er das Wort komponieren. »Wie kann man sagen, Mozart habe seinen ›Don Juan‹ komponiert. Komponieren – als ob es ein Stück Kuchen oder Biskuit wäre, das man aus Eiern, Mehl und Zucker zusammenrührt. Eine geistige Schöpfung ist es, das einzelne wie das Ganze, aus einem Geist und Guß und von dem Hauch eines Lebens durchdrungen, wobei der Produzierende keineswegs versuchte und stückelte und nach Willkür verfuhr, sondern wobei der dämonische Geist seines Genies ihn in der Gewalt hatte, so daß er ausführen mußte, was jener gebot.«
    Es gibt wohl keinen zweiten Künstler, bei dem sich das Genie als schöpferische Kraft in solchem Maße offenbarte wie bei Mozart. Musizieren, und das ist ihm Komponieren, oder um dieses von Goethe so scharf verpönte Wort zu vermeiden, in Tönen gestalten, erscheint bei ihm als Lebenselement, als Lebensnotwendigkeit wie irgendein körperliches Bedürfnis. »Sie wissen,« schreibt er seinem Vater, »daß ich sozusagen in der musique stecke, daß ich den ganzen Tag damit umgehe, daß ich gern spekuliere, studiere, überlege.« Die Wunderkindschaft Mozarts ist das eigenartigste und überzeugendste Beispiel für jene Anschauung, die das Unbewußte im künstlerischen Schaffenbetont, die im Künstler schließlich nur das Werkzeug einer unbegreiflichen höheren Gewalt erkennen möchte. Wir werden im Verlaufe unserer Biographie aus allen Lebenszeiten Mozarts über ganz wunderbare Erscheinungen seiner Art zu schaffen zu berichten haben.
    Von der Schärfe der kindlichen Beobachtungsgabe, der außerordentlichen Fähigkeit der kindlichen Sinne, das Charakteristische in den Erscheinungen der Umwelt aufzunehmen und in erstaunlich charakteristischer Weise, wenn auch noch so unbeholfen, festzulegen, sind wir heute durch die reicheren Beobachtungen des Verhältnisses der Kindheit zur Kunst alle unterrichtet. Bei Mozart hat man das Gefühl, als sei diese ganze sinnliche Aufnahme der

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