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Mozarts letzte Arie

Mozarts letzte Arie

Titel: Mozarts letzte Arie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Matt Beynon Rees
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hätte mich davon überzeugen können, dass die Toten stumm und starr unter der Erde liegen. Ich hatte das Gefühl, dass sie sich darum rangelten, dichter bei Wolfgang zu liegen, um seine Musik hören zu können.
    Da das Geheimnis um seinen Tod nun gelüftet war, wollte ich am Grab meines Bruders beten. Nach zehn Jahren würde man die Gräber von St. Marx umpflügen und den Platz für neue Leichen nutzen. Es wäre dann so, als hätte man Wolfgang in ein Massengrab gelegt, in dem sich seine Gebeine mit denen hunderter Fremder mischten. Ich wollte die Erde berühren, die unmittelbar über ihm lag, solange ich die Gelegenheit dazu hatte.
    Ich ließ Lenerl am Fuß des Hügels auf mich warten. Der Weg war steiler als gedacht. Mein Atem ging so schwer wie der Wind, der die Birken beugte. Die Gräber lagen über zwanzig Reihen verteilt auf dem Hügel, die frischeren hinten,weiter vom Pfad entfernt. Am Ende des Gräberfelds bewegte sich jemand.
    Eine Frau, die ihr verschleiertes Gesicht neigte, erhob sich von ihren Knien. Sie zog sich ein schwarzes Cape fester um die schmalen Schultern und bekreuzigte sich.
    Ich folgte weiter dem matschigen Pfad. Der Wind ließ nach. Auf dem Hügel war es still. Die Frau hörte meine Stiefel in den Pfützen. Sie drehte sich um.
    Die Brise frischte wieder auf und verfing sich in ihrem Schleier. Im hellen Licht schimmerten Magdalenas tränennasse Narben.
    «Weinen Sie um meinen Bruder?», fragte ich sie, als ich das Grab erreicht hatte. «Sie sollten wissen, dass er heute friedlicher ruht als gestern.»
    Sie blickte auf einen niedrigen Erdhügel hinab. Auf einem Stück Pergament, das man an das schlichte Holzkreuz genagelt hatte, stand sein Name. Das Pergament schlug wie Blätter im Wind. «Immerhin ruht er», sagte sie. «Darum beneide ich ihn.»
    Ich trat näher an sie heran, doch sie hob die Hand, um mich abzuwehren.
    «Ich bereue jeden Moment, den ich mit ihm verbracht habe», sagte sie. «Ich habe große Freude daran gehabt, aber was hat es gebracht? Nur den Wahnsinn meines Mannes. Er hat erst Wolfgangs Leben und sich dann sein eigenes genommen, und er hat mich verstümmelt zurückgelassen.»
    «Aber ich habe Ihnen doch bereits auf Giesekes Beisetzung gesagt, dass Ihr Mann Wolfgang nicht ermordet hat.»
    «Doch, das hat er. Franz hat es getan.»
    «Lassen Sie mich erklären. Ich kenne jetzt die ganze Wahrheit.»
    «Sie können sie gar nicht kennen.» Sie griff unter den Schleier und wischte sich, ohne die Narben zu berühren, vorsichtigdie Tränen ab. Aber sie wich zurück. «Franz hat meine enge Beziehung zum Maestro toleriert, aus Rücksicht – aus Rücksicht auf meine Gesundheit.»
    «Das verstehe ich nicht.»
    «Sie haben doch gesehen, wie ich bei Giesekes Beisetzung einen Anfall bekommen habe. Die Fallsucht. Es war eine chronische Krankheit, bis ich lernte, Wolfgangs Musik zu spielen.»
    «Auch mich beruhigen seine Kompositionen sehr.»
    «Mehr als beruhigen. Sie sind besser als jede Medizin. Ohne sie komme ich mir vor wie eine Wahnsinnige.»
    Sie zitterte. Ich fürchtete, dass sie einen Anfall bekommen würde, aber es war nur der Wind, der sie frösteln ließ.
    «Um sie vor dieser Krankheit zu schützen», sagte ich, «hat also Ihr Mann die kostspieligen Dienste eines berühmten Komponisten als Ihr Klavierlehrer in Anspruch genommen?»
    «Der Maestro erkannte mein Talent», sagte Magdalena. «Er zog mich mehr und mehr in seine Gesellschaft, weil er mein musikalisches Können schätzte. Ihm war es egal, dass ich eine Frau bin. Aber Franz wurde eifersüchtig. Er glaubte, dass ich mit Wolfgang eine Liebschaft hatte.»
    «Ich habe von dem Gerücht gehört. Aber lassen Sie mich bitte ausreden. Ich komme eben von der Hofburg, wo …»
    «Deshalb hat Franz sich bereit erklärt, für Graf Pergen zu arbeiten.»
    Durch den Schleier konnte ich die Schnitte in ihrem vergrämten Gesicht sehen.
    «Mein Mann arbeitete als Agent für den Polizeiminister. Während einer Zusammenkunft der Freimaurerbruderschaft hat er Wolfgang vergiftet.» Sie riss ein Blatt von einem Fliederstrauch hinter dem Grab, zerrieb es mit dem Daumen und ließ es fallen. «Für diesen Verrat hat Pergen ihn bezahlt.»
    Die luxuriöse Wohnung, als ich sie zum ersten Mal traf, dachte ich, bezahlt mit heimlichen Bestechungen.
    «Woher wissen Sie das?», fragte ich. «Wie können Sie sich so sicher sein?»
    «Nach Wolfgangs Tod hat Franz sich damit gebrüstet. Er hat mir erzählt, dass er sich für meine Untreue gerächt habe. Er

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