offensichtlich.
Wie du bereits gesagt hast, ist dein Daniel ein Mann der Tat, der, um zu fragen, sich nicht anders zu helfen weiß, als zu befehlen. Die Nachricht, die er zu dem Flugticket in den Umschlag gesteckt hat, ist mit Sicherheit nur eine ungeschickte Art und Weise, dir zu sagen, dass er dich gerne an seiner Seite hätte.
Und du hast mir auch gesagt, dass eure Begegnungen chaotisch und destabilisierend sind und von einem Extrem ins andere fallen. Aber willst du wirklich ein ruhiges, geordnetes, sang- und klangloses Leben, ohne Ausschweifungen, also mit einem Wort, ein langweiliges Leben? Leid bleibt einem im Leben nicht erspart, also wozu sollte man dann auf Lust und Leidenschaft verzichten …
Du sagst selbst, dass du dich magnetisch zu diesem Mann hingezogen fühlst, dass er dich in seinen Bann gezogen hat und dich sexuell erregt.
Eine Sexbeziehung kann ohne einen Funken Liebe nicht funktionieren. Sagt man denn nicht auch „Liebe machen“? Das bedeutet doch, dass man einer poetischen Abstraktion etwas Konkretes, Materielles zuspricht, man verbindet einen Akt (das Verb des Aktes schlechthin) mit einem Gefühl (dem ultimativen Gefühl!). Dieser Ausdruck vereint den Akt mit dem Gefühl und besagt, dass man mit dem Körper das ausdrückt, was man empfindet.
Meine liebe Julia, ich weiß, dass du in dieses Flugzeug steigen wirst. Und du weißt es auch. Also … Guten Flug! Und halt mich auf dem Laufenden.
Küsschen,
Sarah
----
----
Von: Julia
[email protected] Gesendet: Mittwoch, 25. Juli 2012 03:12
An: Sarah
[email protected] Betreff: Aw: Offensichtlich
Liebe Sarah,
du hast den Durchblick …
Ja, Daniels Herz ist unergründlich, daher höre ich nur auf meines.
Ja, das, was mich an ihm stört und mich auf die Palme bringt, ist genau das, was mich erregt. Er ist ein Macho, der dazu neigt, alles zu kontrollieren und Befehle zu erteilen, aber es endet immer in einer romantischen, wunderbaren Begegnung, unglaublichen Ideen und einer verehrungswürdigen Intensität. Er ist streng und geheimnisvoll, aber er ist unbescholten und besticht nicht durch Fadheit, Schmeicheleien und Banalitäten. Er kann erschreckend kalt sein und auf der anderen Seite unheimlich leidenschaftlich.
Und weil ich mich von Daniels Körper unwiderstehlich, wie verrückt und unausweichlich angezogen fühle, will ich ihn wieder spüren.
Ich liebe es, wenn seine Hände mich berühren und ich mich während unserer Liebesspiele verliere und wiederfinde, gleichzeitig ich selbst, aber auch jemand anderes bin.
Es ist nicht unser Geist, der es von vornherein wahrnimmt, es ist unser Körper, der es zuerst weiß.
Der verliebte Körper lädt das Herz dazu ein, ihm zu folgen.
Ja, ich werde in dieses Flugzeug steigen. Zu Daniel zu fliegen, ist wie einen brodelnden Vulkan zu besteigen. Man weiß, dass es gefährlich ist, aber man klettert weiter, man muss einfach hinaufsteigen, weil es schön, warm, hell und selten ist.
Ja, ich werde in dieses Flugzeug steigen.
Küsschen,
Julia
----
Es ist 7 Uhr, als ich einen letzten, wehmütigen Blick auf mein Zimmer und meinen alten Freund, den Klubsessel, werfe. Es ist Zeit zu gehen. In dem Moment, als ich vor dem Hotel stehe und ein Taxi herbeiwinken möchte, höre ich eine Stimme hinter mir, die mir vertraut ist.
„Fräulein Belmont!“
Ich drehe mich um. Ray steht in einem schwarzen Anzug vor mir, gegen die offene Tür eines dunklen Autos gelehnt. Er lächelt und bittet mich mit einer einladenden Geste, einzusteigen.
„Ray!“, sage ich, während ich ihn ebenfalls anlächle und auf ihn zugehe.
„Guten Morgen, Fräulein Belmont. Erfreut, Sie wiederzusehen. Monsieur Wietermann hat mich damit beauftragt, Sie zum Flughafen zu fahren“, erklärt er mir, während er meine Koffer im Kofferraum verstaut.
Daniel möchte um jeden Preis, dass ich heil ankomme …
„Und müssen Sie mich auch während des Fluges beaufsichtigen?“, frage ich mit einer gewissen Ironie, die Ray scheinbar amüsiert.
„Nein, Fräulein Belmont, ich nehme eine andere Maschine. Monsieur Wietermann wird höchstpersönlich in Paris auf Sie warten.“
Ich denke:
Was für ein Glück!
, aber ich sage nichts, denn ich möchte nicht, dass Ray sich unwohl fühlt, weil ich mich über seinen Chef lustig mache.
„Sie haben das Geschenk auf mein Zimmer gebracht, nicht wahr?“
„Ja.“
„Beobachten Sie mich eigentlich schon seit der Abreise von Monsieur Wietermann?“ In meiner Frage schwingt keine