Mr. Joenes wundersame Reise
zugedacht hätte.
Unter den Leuten herrschte große Verwirrung, als sie dies hörten, denn es hieß, daß das Land Amerika noch viel gefährlicher sei als der unbe-rechenbare Ozean selbst; und daß die Amerikaner erwiesenermaßen Zauberer und Hexer seien, die, dank wirkungsvollster Beschwörungen, das gesamte Denken eines Menschen ändern könnten. Er erschien ihnen völlig unvorstellbar, daß ein Mensch Abneigung gegen Korallenstrände, Lagunen, Kokos-palmen, Auslegerboote und andere schöne Dinge entwickeln könnte. Andere Männer von Polynesien waren bereits nach Amerika gefahren, waren dort 15
ungeschützt den Verzauberungen ausgesetzt und waren nie mehr zurückgekehrt. Einer hatte sogar die legendäre Madison Avenue besucht; doch was er dort fand, blieb im Dunkeln, denn der Mann hat nie wieder geredet. Nichtsdestoweniger war Joenes entschlossen, die Reise anzutreten.
Joenes war mit einem manituatuanischen Mädchen verbunden. Sie hatte golden schimmernde Haut, Mandelaugen, schwarze Haare, einen Körper von höchster Feinheit und Reiz und einen Geist, der in menschlichen Dingen von großer Weisheit war. Joenes äußerte die Absicht, dieses Mädchen, dessen Name Tondelayo lautete, nachkommen zu lassen, sobald er in Amerika Fuß gefaßt und es sich eingerichtet hätte; oder zu ihr zurückzukehren, falls das Schicksal ihm nicht gnädig gestimmt wäre. Keiner dieser Vorschläge fand Tondelayos Zustimmung, und sie sagte im dort üblichen Dia-lekt zu Joenes die folgenden Worte:
»He! Du dummes Kerlidiot willst gehen nach Melica? Für warum, he? Mehr Kokosnuß in Melica vielleicht? Größerer Strand? Besser fischen? Nein!
Du denkst vielleicht besser schumbi-schumbi, he?
Ich sag dir nein! Viel besser du bleibst mit mir hier, sag ich!«
In dieser Art und Weise argumentierte die liebli-che Tondelayo mit Joenes. Doch Joenes erwiderte:
»Mein Liebling, glaubst du, es gefällt mir, dich zu verlassen, die Erfüllung all meiner Träume und das 16
fleischgewordene Ziel all meiner Sehnsucht und Begierde? Nein, meine Geliebte, nein! Diese Trennung erfüllt mich mit Angst, denn ich weiß nicht, welches Schicksal mich in der kalten Welt im Osten erwartet. Ich weiß nur, daß ein Mann hinausziehen muß, daß er dem Ruhm und dem Glück nachjagen muß, und wenn es sogar sein muß, auch dem Tod.
Denn erst wenn ich die Welt im Osten verstehe, von welcher ich nur aus dem Mund meiner Eltern gehört habe und über die ich in den Büchern las, kann ich jemals wieder zurückkehren und mein Leben hier auf diesen Inseln verbringen.«
Die reizende Tondelayo lauschte diesen Worten mit größter Aufmerksamkeit und dachte lange dar-
über nach. Und dann sprach das Inselmädchen zu Joenes die Worte der einfachen Philosophie, welche schon seit undenklichen Zeiten von Mutter zu Tochter weitergegeben wurden:
»Heh, ihr weißen Männerkerle alle gleich, denke ich. Ihr die ganze Zeit schumbi-schumbi kleine Braunigirl okay, und dann ihr wollt herumlaufen und suchen schumbi-schumbi mit Weißfrau Amerika, glaube ich. Ich sage! Immer Palme wächst, Koralle wird größer, doch der Mensch muß sterben.«
Joenes konnte vor der generationenalten Weisheit des Mädchens nur sein Haupt neigen. Sein Entschluß wurde jedoch nicht erschüttert. Joenes wußte, daß er sich endgültig dafür entschieden hatte, das Land Amerika zu besuchen, aus dem seine 17
Eltern stammten; dort jeder Gefahr die Stirn zu bieten, die ihm drohte, und sich mit sämtlichen Fü-
gungen des unbekannten Schicksals abzufinden, welches auf der Lauer liegt, um uns Menschen zu peinigen. Er küßte Tondelayo, die in Tränen aus-brach, als sie erkennen mußte, daß ihren Worten nicht die Macht innewohnte, den Mann von seinem Entschluß abzubringen.
Die verschiedenen Häuptlinge der benachbarten Stämme gaben für Joenes zum Abschied ein großes Fest, auf dem die Köstlichkeiten der Inseln gereicht wurden, darunter Fleisch in Dosen und Ananas in Dosen. Als der Handelsschoner vor der Insel vor Anker ging, um die turnusmäßige Rumration zu lö-
schen, entboten sie alle ihrem geliebten Joenes ein trauriges Lebewohl.
Und so geschah es, daß Joenes, mit den Liedern der Inseln in seinen Ohren, sich auf den Weg machte, vorbei an Huahine und Bora Bora, vorbei an Tahiti und Hawaii, und schließlich in der Stadt San Francisco anlangte, welche an der westlichen Kü-
ste Amerikas gelegen ist.
II
LUMS ZUSAMMENTREFFEN MIT JOENES
In Lums eigenen Worten, wie sie festgehalten sind im Buch von
Weitere Kostenlose Bücher