Mr. K: Thriller (German Edition)
paarmal auf die Gabel, bisdas Freizeichen ertönte, und steckte dann meinen Finger in die 9 auf der Wählscheibe.
Genau in diesem Moment erschien Victor Brotsky im Türrahmen.
Ich wählte mit zitternder Hand die 9 und dachte dabei daran, wie leicht man sich bei diesen Telefonen verwählen konnte und wie lange es dauerte, die Nummer neu zu wählen. Ich konnte es mir jetzt nicht leisten, etwas falsch zu machen.
Brotsky schlug wild um sich und versuchte sich durch die Tür in den Flur zu zwängen, aber das Bettgestell war zu groß und passte nicht hindurch.
Ich steckte den Finger in die 1 und wählte erneut. Mir kam es vor, als drehte sich die Wählscheibe im Zeitlupentempo und brauchte ewig, bis sie bei der 0 ankam.
Brotsky fluchte und schimpfte in mehreren Sprachen. Es gelang ihm, seine Schultern durch den Türrahmen zu zwängen, aber das Bettgestell hielt ihn nach wie vor fest.
Endlich war ich bei der letzten 1 angekommen. Wieder dauerte es eine Ewigkeit, aber dann hörte ich zu meiner Erleichterung, wie es am anderen Ende der Leitung klingelte.
Brotsky stieß einen Schrei aus, der mehr dem eines Tieres als dem eines Menschen glich. Er warf den Kopf hin und her und spannte die Muskeln in Nacken und Schultern bis zum Äußersten an. Plötzlich machte es kaum hörbar
Tsching.
Brotsky hatte jetzt die Hände frei und stürzte durch die Tür.
Er hatte die Handschellen zerrissen.
Heute
10. August 2010
»Jack«
, hörte ich Phin sagen, als mir Dalton sein iPhone ans Ohr hielt. Ich konnte den Schmerz in seiner Stimme hören und er tat mir leid.
»Was sollen wir tun?«
Mein Bein pochte vor Schmerz, und bei der geringsten Bewegung des Rades, an das ich gefesselt war, litt ich Höllenqualen. Nicht auszudenken, wie es sich anfühlen musste, wenn einem alle Gliedmaßen gebrochen wurden und das Rad sich drehte. Die Schmerzen waren bestimmt unerträglich.
Aber dann dachte ich an ein Zitat von Mark Twain, und zwar an seine Bemerkung, bei der es um Mut im Angesicht der Furcht ging. Es war eine Binsenweisheit, die mir im Leben gute Dienste geleistet und mich dazu bewogen hatte, Dinge zu tun, die ich mir nie zugetraut hätte.
Zugegeben, ich hatte Fehler gemacht und Chancen verpasst.
Aber ich war davon überzeugt, dass ich mit meinen Taten wenigstens ein bisschen dazu beigetragen hatte, diese Welt besser zu machen. Wenn ich meine Lebensbilanz objektiv bewertete, so fand ich, dass ich als Endnote zumindest eine 2+ verdient hatte.
Eine 1– wäre mir natürlich lieber. Und ein mutiges letztes Wort oder eine mutige letzte Tat würden mich vielleicht in einem etwas besseren Licht erscheinen lassen und mir das Gefühl geben, dass mein Leben nicht umsonst gewesen war.
Ich war nie besonders spirituell gewesen und machte mir keine Illusionen darüber, dass es ein Leben nach dem Tode gab.
Das bedeutete, dass ich in meinen letzten Augenblicken auf dieser Welt etwas tun musste, das meinem Leben nachträglich einen Sinn verlieh.
Wenn meine letzte Handlung darin bestand, dass ich dem Tod tapfer und unerschrocken ins Gesicht sah und keine Furcht zeigte, dann hatte ich mir diese 1– redlich verdient.
Ich blickte John Dalton – Mr. K – ins Gesicht, ohne mit der Wimper zu zucken, und sprach mit deutlicher und gefasster Stimme zu Phin – ohne Tränen, ohne Reue, ohne auch nur einen leisen Anflug von Furcht, wohl wissend, dass dies meine letzten Worte waren.
»Gebt diesem Arschloch keinen müden Cent.«
Einundzwanzig Jahre vorher
17. August 1989
»Hier ist Officer Jacqueline Streng!«, schrie ich in den Hörer. Dann ließ ich ihn fallen und sprang beiseite, als Brotsky sich auf mich stürzte. »Brauche Unterstützung! Brauche verdammt noch mal Unterstützung!«
Ich humpelte ein paar Schritte zurück, als Brotsky wie ein wütender Stier zum Angriff überging. Vor lauter Panik spürte ich meine Schmerzen nicht mehr. Es konnte sich nur noch um Sekunden handeln, bis er mich erwischte. Mir blieben nur zwei Fluchtwege – in den Keller oder in die Küche.
Ich stürzte Hals über Kopf in die Küche, stieg über den umgeworfenen Tisch, hechtete über Shells Leiche hinweg und versuchte so schnell wie möglich an die Schublade im Küchenschrank zu kommen, in der sich das Besteck befand. Meine Finger tasteten nach dem Griff und fanden ihn schließlich. Ich zog ruckartig an der Schublade und das Besteck fiel heraus und landete auf mir, der Plastikplane und der Theke.
Ich bekam ein Steakmesser zu fassen, drehte mich auf den Rücken und
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