Mueller und die Schweinerei
Bewegung zu viel. Und riecht der Müller von Weitem: Kein Geruch bei Schwendihof. Also schon etwas nach Tier, aber nicht unangenehm, weil glückliche Schweine stinken nicht, haben Kotecke in Stall und Weide und machen gutes Fleisch, aber jetzt genug Bio-Werbung.
Der Umschwung vom Hof tipptopp sauber und freundlich und auf der Wiese Fussballtor für einigermassen kleine Kinder (sind drei plus Freunde) und im Garten farbige Blumen, praller Sellerie, tiefgrüner Kopfsalat und von den Sträuchern blinzeln schläfrig saftpralle Beeren in die Sonne und lechzen nach Pflückung, aber, siehe da, da kommen mit schnellem Schritt der Bauer und die Bäuerin mit je einem umgebundenen weidenen Kratten für die Ernte, und flugs eilen die drei Kinder plus Freunde herbei, um bei der Beerenernte zu helfen, denn sie haben gelernt: Der Fussball kann warten, aber die Beeren nicht. Und ohnehin besser Fussball, wenn kühler, aber die Beeren sollen jetzt vom Strauch, in den Kühlraum. Der Bauer macht später mit dem Wagen seine Restaurant-Tour, Beeren liefern, vom Metzger auf dem Hof zerlegte Schweine liefern und sonstige landwirtschaftliche Erzeugnisse liefern und von da zurück auf den Hof mit dem Schweineeimer voll.
Er ist ein Bild der Freude, dieser Schwendihof, obtrotz »Schwendi« ursprünglich »Sumpf« bedeutet, weil der Hof im Schwemmland des schönen und wilden Flusses Reuss liegt. Die Schwendi längst drainiert, nicht mehr Sumpf und Schlamm und blutgeile Mückenplage, die tragisch-tödliche Krankheiten verbreitet, sondern fruchtbare Erde, und man merkt es: Der Schwendihof, in der vierten Generation von Marie und Heini Angst-Schwerzmann geführt, gedeiht und gereicht unserem Bauernstand zur Ehre. Auch politisches Verhalten von Marie und Heini Angst, ohne das Wahlgeheimnis antasten zu wollen, tipptopp. Sie wissen, was ich meine. Nix da Stimme für hasserfüllte Zwerge, joviale Milliardäre, zerfressene Wichtigtuer und Aufplusterer, sondern freundlich und gut. Ein Bild der Tugend und der Strebsamkeit, dieser Schwendihof, und seine Bewohner und Bewohnerinnen und ihre fleissigen Hände und lieben Stimmen, die flöten wie Musik, und die Sonne lacht und das Schicksal schmunzelt, und der wirtschaftliche Erfolg, er verleitet nicht zum Übermut, verheisst aber durchaus Prosperität und Wohlstand und Notgroschen für strube Zeiten.
Das gefällt Müller, wie er da mit staubigen Schuhen und angemüdet von den zehn Minuten Spaziergang in der frontalen Sonne von der Postautohaltestelle her endlich an der Einfahrt zum Schwendihof steht, denn jetzt ist er angekommen.
Was er sieht, ist einfach das Glück.
Auf dem Bänkli sässe im Heimatfilm jetzt der Ätti, stickte an seiner Armbinde von der Nationalen Front und sänge Lieder, die wir nicht zitieren würden, aber der ist tot, vor achtzehn Jahren an einem Bord mit dem Traktor überkugelt und zum Glück für die Krankenkasse auf der Stelle verschieden. Glück und Unglück liegen nah beieinander. Das weiss der Müller. Selbst in einer Idylle wie dem Schwendihof. Die Familie Angst ist gerade in den Himbeeren, und sie sehen den Müller nicht. Also tritt er näher und näher, und als sie ihn sehen, sagt Heini Angst mit seinem wollig sich kräuselnden Bart: »Grüezi, Sie müssen Herr Müller sein.«
Und wir wissen, so ist es.
»Warten Sie bitte im Schatten«, sagt Heini Angst, »wir machen noch diese Reihe fertig, die müssen heute noch weg.«
Der Müller will die Familie nicht am Broterwerb hindern, geht in den Schatten und wartet und wirft einen Blick zwischen Haus und Schweinestall hindurch und sieht das oben geschilderte Bild der glücklichen Schweine jetzt noch grösser, weil näher. Physikalisch ist das eben so. Ein laues Lüftchen streichelt über die Ringelschwänze und Borsten. Wirklich ein Bild des Friedens.
Die neununddreissig toten Schweine von der Reussmatten-Weide sind entsorgt.
Und nach einer Weile kommen der Schwendihofbauer und die Schwendihofbäuerin, und der Bauer bringt einen Krug Wasser und drei Gläser, und sie setzen sich auf eine Bank unter einen Baum.
Im Gespräch stellt sich heraus, dass die Bäuerin und der Bauer nur wissen, dass sie nichts wissen, und das ohne sokratische Koketterie. Natürlich fokussiert auf the problem en question, aber es blieb ein schöner Schwatz zwischen Landbevölkerung und dem urbanen Müller, der ja, wenn man sich’s genau überlegt, vom Namen her ursprünglich eine landwirtschaftliche Verankerung hat. Aber dieses informelle Gespräch mit
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