Mueller und die Schweinerei
Beweise zählen, und diese Beweise müssen so gut zusammengesammelt und aufbereitet sein, dass die Staatsanwaltschaft das Gericht auf der ganzen Linie überzeugen kann. Bei halben Sachen kommt der Verbrecher nämlich wieder raus und überfällt weiter junge Frauen und alte Damen. Wollen wir das?
Deshalb sorgfältige Arbeit. Lassen wir Müller die Zeit, die er braucht. Er fährt im heissen Postauto zum Bahnhof Zürich-Wiedikon, und das passt gut, weil er ja dort in der Nähe wohnt. Dann hat er nicht mehr weit und kann sich unter die Dusche stellen. Er sieht nicht immer frisch aus, hat schon etwas an Jahren angesetzt, ist manchmal ziemlich zerknittert, aber noch gut in Ordnung für 40+. Irgendwann sagt man nur noch 40+. Heisst beim Müller in diesem Sommer 45. Aber das macht nichts. Im Postauto denkt er weiter nach. Weil, was willst du sonst machen im Postauto, wenn nicht nachdenken? Gut, man könnte die Fingernägel schneiden, aber das macht man nicht, es ist nicht schön und nicht anständig. Deshalb macht es auch er nicht.
Und zu Hause in der Wohnung beim Müller, alle Fenster seit dem frühen Morgen zugerammelt und die Jalousien auch. »Die Schweiz schwitzt« – da hat der Boulevard einmal recht, und der Müller barfuss, weil die Bodenkacheln kühlen die Sohlen, und Computer angeworfen und schlaue Suchmaschine angesteuert, und Müller geht seiner Schnapsidee nach. Erstes Wort eingeben: »Dylanologe«. Kommen Treffer: viele Namen und Bescheidenheit: »Ich bin kein Dylanologe«, oder noch besser: »ich bin eigentlich kein Dylanologe«, oder »ich bin kein eigentlicher Dylanologe«. Ist deutsch gesagt ein hundertdreissig Dezibel lauter Ruf, dass alle sagen: »Doch! Doch! Du bist!« Und wenn von einem vielleicht wirklichen Dylanologen ein Bildchen auftaucht (selten), sind es ernste ältere Männer, weil in der Jugend Dylan, Dylan, Dylan und seither nie mehr losgekommen. Egal, ob manchmal eher langweilige Platten, egal, ob limitierte Gesangskunst, sie haben alle A- und B-Seiten und Raritäten und Bootlegs, was Schwarzpressung von Tonträgern meint, und Bild- und Lyrikbände, und wenn aus Kostengründen nicht alles annähernd vollständig, dann mindestens hochgenaue Privatdatenbank. Im PDF -Format kannst du’s herunterladen. Bloss nicht fragen: Wem nützt’s? Auch dazu weiss Diodoros Rat: »Eigener Kreis zieht eigene Kreise.«
Und der Müller gibt das zweite Wort ein, das ihm in Oberlunkhofen zugeflogen ist: »Safran«. Wieder viele Treffer: der Schriftsteller, Rezepte und kulturhistorisch und Namen von Kochgrössen und Restaurants und Zunft und viel Nützliches in dieser Hinsicht. Und gibt ein »Dylanologe« und »Safran« und kommt: nichts. Ist zwar grundlogische Operation: Verknüpfung zweier Mengen. Aber kommt nichts, keine Spur. Hat nichts miteinander zu tun.
Denken Sie vielleicht: Was soll das? So ermittelt die Polizei? So ein bisschen Internet? So ein bisschen Schnapsideen in Suchmaschine eintippen? Hat die Polizei nicht Datenbanken und Profile und vielschichtiges ermittlungstechnisches Know-how nebst interkantonalem und internationalem Informationsaustausch?
Ja, schon. Einwand akzeptiert. Ist rudimentär, dem Müller seine aktuelle Technik. Aber bitte nicht vergessen: Der Müller ist ja krankgeschrieben, weil Waffenzwischenfall und Schusstrauma und Schuldgefühl, obwohl juristisch freigewaschen. Da bleibst du nicht unberührt, wenn du einen, ob schuldig, ob unschuldig, ob minderjährig, ob volljährig, erschiesst, und der Müller deshalb Anti-Aggressionsworkshop und psychologische Betreuung bei Herrn Borowski am Rigiplatz und mit dessen Arztzeugnis ganz offiziell: nicht im Dienst. Weil Herr Borowski sagt: »Geben Sie sich Zeit. Überstürzen Sie nichts. Ein Trauma zu überwinden, das dauert.« Und weil nicht im Dienst, meist nur private Infrastruktur sofort zugriffsbereit, wie zum Beispiel Suchmaschine und Befragungen und vielleicht hin und wieder ein Anruf an Bucher Manfred, Polizeikollege und Freund mit loyalem Herz und neunzehn Jahre gemeinsamer Dienst seit der Polizeirekrutenschule. Aber jetzt nicht telefonieren, weil Bucher Manfred noch gewissermassen im Honigmond mit der hochsympathischen und -begabten Pathologin Dr. Brenda Marquardt. Da stört man den besten Freund nicht.
Zurück zur Suchmaschine: Findet oft verblüffend gute Ergebnisse, auch in der Verbrechensbekämpfung. Weil Ideenverknüpfung und Abseitiges kombiniert mit Mainstream. Und das Internet vergisst nichts. Ist alles drin für
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