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Mueller und die Schweinerei

Mueller und die Schweinerei

Titel: Mueller und die Schweinerei Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Raphael Zehnder
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der Frage wie im Kriminalroman »Haben Sie Feinde? Wer könnte das getan haben?« bringt leider die Ermittlung nicht weiter: kein eifersüchtiger Cousin, kein boshaftes Kind, kein neidischer Nachbar, keine Familienfehde, die seit Mitte 18.   Jahrhundert immer wieder aufbricht, kein Schweinehasser, kein gar nichts.
    Wer könnte etwas gegen Schweine haben, wovon weltweit etwa neunhunderteinundsechzig Millionen Schwänzchen sich ringeln und davon eins Komma fünf Millionen in der Schweiz?
    Wer könnte etwas gegen Familie Angst-Schwerzmann vom Schwendihof haben?
    Wer könnte so viel gegen das Leben haben, dass er einfach so jemandem irgendetwas Böses antut?
    Ja, denkt der Müller, da öffnet sich vor mir wieder der ganze böse gähnende Abgrund, der Schlund zur Hölle. Und ihm scheint, die Sonne verdunkle sich und über den ausgedörrten, gemähten Kornfeldern, wo die Hitze flimmert und Luftspiegelungen hervorruft wie in einem dieser Wüstenfilme, quöllen düstere Gewitterwolken auf, die nur kommen, um die wehrlosen Himbeeren und Stachelbeeren und Brombeeren von den Sträuchern zu fetzen, damit sie am Boden verfaulen und die Schnecken obendrein ihre Schleimspur darauf schmieren können oder das Ungeziefer sie vernagt und darauf scheisst, und um die weichen Nester, die die Schweine für ihren Nachwuchs zusammengetragen haben, zu überschwemmen, und als quiekten die Schweineküken, kaum der Eierschale entsprossen, schon ängstlich wegen der Unbill, die sie instinktiv erahnten. Haben sie doch einen Sensor für solches.
    Ja, seufzt der Müller innerlich, spräche ich zu den Menschen freimütig über meine Befürchtungen, so vermöchten sie kaum mehr zu schlafen. Aber das will er nicht, und wir auch nicht. Und so schüttelt er Marie und Heini Angst die Hand, dankt für das Gespräch und geht, den Fahrplan im Kopf, wieder zum Postauto. Das tut er nicht, damit diese Geschichte nostalgisch sei, die Postauto AG ist im Übrigen ein hochmoderner Betrieb. Sondern tut es, weil er den Autoschlüssel wieder einmal nicht gefunden hat. Seit dem Schusswaffenvorfall im Mai hat er Mühe, in seiner Zweizimmerwohnung Ordnung zu halten. Weil er zu viel zu Hause ist. Das ist er einfach nicht gewohnt. Da legt er die Dinge dorthin statt hierhin, lässt sie auf dem Tisch statt ins Regal zurück und findet deshalb manchmal ein Buch im Putzschrank. Ausserdem ärgert es ihn, ständig Filzpantoffeln tragen zu müssen, wegen der Nachbarin von unten. Die ist zurzeit auch ständig da. Brüllt ins Telefon und reklamiert immer.
    Deswegen das Postauto. Ein paar hundert Meter zu Fuss vom Schwendihof, Oberlunkhofen. Das Postauto  Wiedikon, Kreis 3, Zurigo, amore mio, wo die Stadt zu Hause ist und der Müller Benedikt in einer knappen Stunde auch wieder sein wird.
    Und du glaubst es kaum, aber das Postauto kommt, und es ist voll gelb. Das ist genau der Punkt. Denn wie Müller die gelbe Farbe des Postautos sieht, durchzuckt ihn ein Blitzlicht wie von Erleuchtung. Gelb. Was ist gelb? Zum Beispiel Safran! Und wo verwendet man Safran? In der Küche. Also nächster Ansatzpunkt von Ermittlungstaktik: erneut die Küche von biologischem Restaurant Sumatra mit der Lupe durchkämmen. Den deutschen Biowunderkoch Joachim Scharpf auf Herz und Nierstück überprüfen. Ein Müllergedanke: Anschlag vielleicht gegen ihn gerichtet? Nicht gegen Familie Angst-Schwerzmann vom Schwendihof? Ein Neider? Die anti-biologische Mafia? Gibt es das? Warum? Weil, die Welt ist voller Fragen, die sich nicht ohne skrupulöse Ermittlungen lösen. Fragen ist philosophisches Grundprinzip vom Müller. Und wieder ein Müllergedanke an früheren Müllergedanken, und zwar eine Verknüpfung: Der tote Dylanologe. Safran … Der tote Dylanologe. Safran … Der tote Dylanologe …
    Ich denke im Kreis, denkt Müller, aber immerhin: Ich denke. Und das ist erneut fast philosophisch, würde ich sagen …, aber jetzt einsteigen. Im Postauto ist es nicht kühler.
    Zum Chauffeur: »Grüezi, Wiedikon einfach.«
    Mit dem Wechselgeld in der Hand: »Danke.«
    Kleingeld einstecken, fährt an, nach hinten gehen, festhalten, hinsetzen, schöne Landschaft, sanfter Abhang und Hügel, Kornfelder voller Stoppel, viele hässliche Häuser, schlechte Architekten, viel Verkehr. Alle Autos sehen gleich aus.
    Du glaubst es nicht, aber der Müller hat Intuition. Er merkt manchmal Sachen, da sagt die Öffentlichkeit hinterher: Ist ja völlig klar! Aber vor Gericht ist das natürlich zu wenig. Muss verwertbar sein. Nur

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