Mueller und die Tote in der Limmat
Ziffern «117». Und wehe, sie kommt nicht gleich! Man kann es nie allen recht machen. Aber der Müller interessiert sich nicht für Politik, privat vielleicht schon, Sie wissen, was ich meine, aber als Staatsangestellter ist er im Dienst zu politischer Neutralität verpflichtet. Demokratie und Gesetz und Dienstreglement, das verzeiht nichts. Aber der Müller ist nicht nur Polizist, sondern in erster Linie Mensch. Und deshalb hat er auch nicht so grosse Freude, wenn die Handschellen zuschnappen – nur wenn das Böse es rechtfertigt.
Noch ein Audio-Detail zwecks Erhöhung der Sinnlichkeit am Schluss des Verhörs: Um 19 Uhr schnappt mit einem metallischen Klicken die stählerne Acht zu, und die Uniformpolizei führt Mark Huber ab. Das reicht gerade noch für die Einberufung der Medienkonferenz, damit der Erfolg in «10 vor 10» vermeldet werden kann. In Bild und Ton dort präsent: Hauptmann Peter Wunderli und der Polizeivorstand. Stolz.
Müller Benedikt, Bucher Manfred und Catanzaro Rocco klopfen sich auf die Schulter. Bald hat Bucher wieder Zeit für die Gemüsetheke und Müller für die «Internationale Clearingzentrale» bei Franz Schubert.
Obwohl nun, gehört der Müller wieder zur Polizei der schönen Stadt Zürich dazu? Oder nicht? Er wird es nochmals überdenken und wohl auch mit dem Chef reden müssen.
Montag
Und die Sonne geht auch heute wieder auf über allen zwölf Stadtkreisen der schönen Stadt Zürich, was sich psychisch günstig auswirkt auf die Menschen in der Stadt. Denn sie sind glücklicher, wenn die Sonne scheint und lacht, tagein, tagaus, so laut, dass sich Zartbesaitete die Ohren zuhalten müssen, weil sie dieses Glück nicht ertragen können oder nur schwerlich. Ähnlich ist es, wenn man mit Verliebten zu tun hat.
Sie erinnern sich: Dr. Brenda Marquardt sagte zu Bucher Manfred (92 Kilogramm): «Ich komme am Montag zurück, dann treffen wir uns zur Unterhaltung und Konversation.» Und unser wackerer Polizist: «krächz» und «räusper» und bekam zündrote Ohren. Aber dann schon: «Ja, sehr gerne.» Und jetzt: Montag da! Weder Nebel noch Eisglätte noch Schneefall können die Landung auf dem Flughafen Zürich Airport gefährden. Und darum ist für Bucher Manfred dieser Montag quasi ein Feiertag. Weil schöne Aussichten, ganz klar. Haben ja telefoniert. Er hat ein Gefühl. Und Dr. Brenda Marquardt hat auch eines. Vielleicht gibt es eine Schnittmenge? Werden wir es erfahren? Bleibt es privat? Geht es uns etwas an? Wir zweifeln, aber es interessiert uns sehr.
Wär natürlich schöner gewesen, wenn die Lösung des Kriminalfalls durch den Müller und Bucher Manfred und andere bewährte Polizeikräfte neunzehn Stunden früher eingetreten wäre. Denn es heisst im dicken Buch deutsch und deutlich: «Am siebten Tage sollst du ruhn.»
Ging zwar leicht daneben, weil der siebte Tag alles andere als ruhig war. Aber was willst du: Priorität hat das Verbrechen, es zu ermitteln, es aufzuklären und seinem üblen Treiben den Riegel zu schieben. Und musst schon sehen und anerkennen: Der Müller Benedikt hat erst Montagabend vor Wochenfrist so richtig mit der Ermittlung begonnen, nachdem Montag circa fünfzehn Uhr die Leiche von Sandra Molinari ans Holzsonnendeck im Flussbad Oberer Letten herangetrieben wurde. Und jetzt schon ein Ergebnis. Das war schnell, musst du zugeben. Und der Müller hat jetzt wieder frei, weil noch immer beurlaubt. Das Müllerproblem ist noch nicht gelöst, weil dieses Müllerproblem ist ein Menschenproblem, und es stellt sich grundsätzlich die philosophische Frage: Wen darf man wann warum wie töten?
Wird er da einen Weg für sich finden? Zum Glück hat er keine Kinder, denen er das erklären müsste.
Der Müller ist müde, wegen der Hitze, wegen der Ermittlung und wegen der vielen Grübelei. Gönnen wir ihm die Ruhe mit einem kühlen Blonden aus Altstetten, seinem Lieblingsbier.
Eine Woche haben wir jetzt den Müller begleitet. Wirklich kennen tun wir ihn noch nicht. Und richtig schlau werden wir aus ihm auch nicht immer.
Auf die Frage eines Journalisten, ob die Lösung des Falls anstrengend war, antwortet Müller etwas später: «Kein Problem.»
Schon ein bisschen übertrieben, sagen wir, weil er ist ja nicht James Bond. Aber überheblich ist er auch nicht. Er macht nur kein grosses Aufheben um sich und seine Arbeit. Und solche Leute braucht die Polizei.
«Und jetzt?», fragt sich der Müller. In den Fluss springen! Fünfundzwanzig Grad Celsius Wassertemperatur.
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