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Mueller und die Tote in der Limmat

Mueller und die Tote in der Limmat

Titel: Mueller und die Tote in der Limmat Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Raphael Zehnder
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Quatsch! Hält er uns, die Polizei, für doof?
    2. Ist die Drogenwirkung noch nicht aus ihm hinausgefahren?
    3. Psychologisch: Diese Anmassung des mutmasslichen Täters.
    Da ist die Rollenverteilung gleich wieder sonnenklar. In diese Falle dürfen wir in dieser Geschichte nicht tappen. Das läuft in Wirklichkeit ganz anders, muss es so erzählen, wie’s wahr war:
    Mark Huber: «Warum bin ich hier?»
    Bucher Manfred: «Sie haben der Zeitung ein Interview gegeben.»
    MH : «Ja.»
    BM : «Und der Inhalt dieses Interviews interessiert uns.»
    Kleine Pause. Folgendermassen ausgefüllt: Der Müller schaut böse (ist anstrengend), Bucher Manfred massiert sich den Bauch, weil zwischen der Haut und dem Fleisch das Fett sein Volumen verringert hat, was ein ungeheuer bizarres Gefühl hinterlässt.
    MH schweigt.
    BM : «Uns interessiert, wie und warum Sie zuerst Sandra Molinari und dann die Band getötet haben.»
    Zeit verstreicht.
    BM : «Wir haben Zeit.»
    MH : «Sie haben nichts gegen mich in der Hand.»
    BM lächelt und sagt: «Die Spurensicherung schon.»
    Zeit verstreicht.
    Bleischwer lastet jetzt die Atmosphäre auf Mark Hubers Schultern, und falls er denn ein Gewissen hat, nagt es an ihm, aber das sieht man nicht, sondern nur das Ergebnis des Nagens: Er wird kleiner, unmerklich zwar, aber sein Körper verliert an Spannung. Das merkt der Müller, da hat er Erfahrung, personifizierte Erfahrung. Neunzehn Jahre Polizei, da kann ihm keiner etwas vormachen, kann ich dir sagen, ohne Übertreibung.
    Und das unterscheidet ihn, also Mark Huber, vom hartgesottenen Berufsverbrecher: Verhörsituation neu, deshalb krcks, lässt er sich verhältnismässig leicht knacken, in nicht gar so vielen Arbeitsstunden. Aber dennoch kein Kinderspiel, werden der Müller und Bucher Manfred hinterher sagen und auch Rocco Catanzaro, der den unspektakulären, aber wichtigen Part des «Stummen» spielt und Mark Huber mit dem simplen Mittel seiner Anwesenheit und Aura schikaniert.
    Aura, das klingt jetzt esoterisch. Die Polizei kennt eben jeden Trick, jedes Gefühl, das sie als Dosenöffner einsetzen kann. Vom Gefühl her ist dieser Fall gelöst, aber vor Gericht zählen nicht Gefühle, nur Beweise: Spurensicherung, Zeugenaussagen, Geständnisse.
    Und das dauert und dauert, weil die Polizei, sie muss jedes Detail wissen, damit der Pflichtverteidiger sie nicht später vorführt wegen irgendwelcher Ermittlungs- und Beweiskettenlücken. Doch das wird nicht passieren, weil die Akte wirklich professionell hiebfest und stichfest genagelt sein wird.
    Und es dauert und dauert, bis weit in den Nachmittag, ja in den frühen Abend hinein. 19 Uhr: Fall gelöst. Du weisst zwar, dass du in wenigen Stunden leider, leider schlafen gehen musst, damit du am Montagmorgen wieder dem Chef gefällig sein darfst, aber das ist nicht so schlimm, denn bedenke laut und deutlich: Immerhin durchlebst du die Wehmut des Sonntagnachmittags und –abends in Freiheit, wohingegen sich Mark Huber in gefängnismässiger Obhut befindet. Weil Mark Huber gesteht vollumfänglich, aber wie gesagt erst im Laufe des Nachmittags. Das ist ein harter Brocken Arbeit für die Polizei, die sich doch auf so was versteht. Es ist knifflig, weil Mark Huber schon ein sturer Bock ist, obwohl völlig verhörunerfahren. Da kommen der Müller, Bucher Manfred und Rocco Catanzaro ins Schwitzen. Aber auch weil es so heiss ist.
    Sandwichpause, Kaffeepause, Pinkelpause, Rauchpause.
    Und nach jeder Unterbrechung wissen sie, dass sie ein Stückchen näher am Ziel sind.
    Und endlich ist es so weit: Mark Huber gesteht. Die Essenz von Mark-Huber-Verhör lautet so und wurde auch so vom Beschuldigten datiert und ohne Zwang unterschrieben:
    «Am frühen Sonntagmorgen, ungefähr um ein Uhr, warf ich Sandra Molinari, der ich zuvor am Konzert in der Roten Fabrik K.-o.-Tropfen ins Getränk geschüttet hatte, unterhalb des Wehrs beim Jugendkulturhaus ‹Dynamo› in die Limmat. Die Gründe für diese Tat sind folgende: Seit ich vor fünf Jahren als Sänger in der Rockgruppe Spitfire ihre Nachfolge antrat, wurde ich von ihr und auch anderen ständig damit konfrontiert, ein schlechterer Sänger zu sein als die von mir Ermordete. Das hielt ich nicht mehr aus. Am Abend des Verbrechens lachte sie mir frech ins Gesicht, als ich davon sprach, eine Soloplatte zu machen. ‹Du?›, feixte sie mit spöttischem Unterton, als wolle sie sagen: ‹Du schaffst das ohnehin nicht, und keiner wird sich dafür interessieren, was du ohne die Band

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