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Mueslimaedchen - mein Trauma vom gesunden Leben

Mueslimaedchen - mein Trauma vom gesunden Leben

Titel: Mueslimaedchen - mein Trauma vom gesunden Leben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Franziska Seyboldt
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Campingplatz, lebten nach der Lehre von Rudolf Steiner und schickten ihre Kinder auf die Waldorfschule. Das war zumindest das Klischee.
    Und meine Eltern erfüllten dieses Klischee ziemlich gut, außer dass sie mich nach einer langen Diskussion auf eine ganz normale Schule gehen ließen. Dort fiel natürlich erst recht auf, dass ich irgendwie anders war.
    Mein ganzer Neid galt den Schlüsselkindern, deren Eltern beide ganztags arbeiteten und die sich Fertigessen in der Mikrowelle aufwärmten. In meiner Vorstellung machten sie ihre Hausaufgaben vor dem Fernseher, während der Disney Club lief, und fuhren abends mit ihren Eltern zu Aldi, um Stracciatellajoghurt in riesigen Bechern und palettenweise Softdrinks zu kaufen. Ihren Urlaub verbrachten sie in den USA , zum Frühstück gab es Croissants mit Nutella und Nudeln nannten sie »Pasta«. Wir hingegen waren eine Kartoffel-Familie. Erde zu Erde, Staub zu Staub.
    An einem Mittwochnachmittag, wir trafen uns auf halbem Weg zwischen unseren Wohnungen, kam mir Nora entgegen und schaute ungeheuer zufrieden an ihrem Arm herunter.
    »Schau mal, was ich hier hab!«
    An ihrem zartbeflaumten Handgelenk trug sie eines dieser Armbänder, die man bei der Geburt im Krankenhaus bekommt, damit die Babys nicht verwechselt werden. Rosa Perlen für die Mädchen, hellblaue für die Jungs, auf jeder Perle ein Buchstabe, die zusammen den Namen ergeben. Das Armband war anbetungswürdig. Und Plastikschnullis plötzlich überhaupt nicht mehr interessant. Angeblich trugen jetzt alle nur noch ihre Krankenhausarmbändchen, die bisher ein freudloses Dasein in einem Babyalbum gefristet hatten, neben Größen- und Gewichtszunahme und den ersten Lauf- und Sprechversuchen.
    Nur. Ich. Hatte. Kein. Armbändchen.
    Und das kam so: Als bei meiner Mutter an einem 31 . März abends um acht die Wehen einen Abstand von fünf Minuten erreicht hatten, rief sie kein Taxi. Sie ließ sich auch nicht von meinem Vater in das nächstgelegene Krankenhaus fahren. Nein, meine Eltern warfen die Kliniktasche in ihren babykackgelben Opel Kadett und rasten eine Stunde lang über die Autobahn in ein Geburtshaus. Es war das einzige im Umkreis von einigen hundert Kilometern und sollte Frauen dabei unterstützen, bewusst, selbstbestimmt sowie körperlich und seelisch gesund mit ihrer Schwangerschaft, der Geburt und ihrem Neugeborenen umzugehen.
    Meine Mutter war schon beim ersten Besuch von der persönlichen Atmosphäre begeistert gewesen. Regelmäßig hatte sie sich während ihrer Schwangerschaft mit Gitte und Barbara, die ebenfalls bald Mütter wurden, darüber ausgetauscht, ob Verwandtenbesuch direkt nach der Geburt dem Baby möglicherweise schaden könnte. Außerdem hatten sie gelernt, wie man Babybrei kocht und Stoffwindeln richtig wickelt. Die waren nämlich günstiger als Plastikpampers und verursachten weniger Müll. (Den Benzinverbrauch für die zahlreichen Fahrten ins Geburtshaus hatte sie in ihrer persönlichen Ökobilanz sicherlich eingerechnet.) Die Autofahrten hatte sie genutzt, um Windelhöschen aus Schafswolle zu stricken, der zarte Babypopo sollte später schließlich atmen können.
    Im Gegensatz zu einem normalen Krankenhaus gab es im Geburtshaus nur sieben Betten in vier Zimmern und eine Hebamme. Außerdem den Mann der Hebamme, der die Mütter bekochte.
    Dort wird es bestimmt so richtig nett, hatte sich meine Mutter gedacht. Kein Tropf, kein OP -Zimmer, keine weiß gekleideten Ärzte, keine Krankenhausatmosphäre. Sie war ja schließlich nicht krank, sondern erwartete nur ein Kind. Das ist etwas ganz Natürliches, nicht wahr.
    Als meine Eltern das Geburtshaus betraten, brüllte die Frau im Nebenzimmer wie ein Schwein, das gerade abgestochen wird. Meine Mutter war entsetzt. So hatte sie sich das nicht vorgestellt, Natur hin oder her. Sei’s drum, dann musste das Kind eben drinbleiben.
    »Komm, wir gehen wieder!«, flüsterte sie, packte meinen Vater und zerrte ihn Richtung Auto.
    Schnell weg hier. Doch sie hatte die Rechnung ohne die Hebamme gemacht, die soeben im Türrahmen auftauchte.
    »Wo wollen Sie denn hin?«
    Sie sah genauso aus, wie man sich eine Hebamme vorstellt, mit Händen groß wie Baggerschaufeln und einer praktischen Kurzhaarfrisur.
    »Ich hab es mir anders überlegt«, sagte meine Mutter. »Ich will doch kein Kind bekommen.«
    »Dafür ist es jetzt ein bisschen spät.«
    Die Hebamme nahm meine Mutter am Arm und führte sie mit sanfter Gewalt in ein freies Zimmer. Dann legte sie sich erst mal

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