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Murray, Paul

Murray, Paul

Titel: Murray, Paul Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Skippy stirbt (Teil 3)
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melodische Stimme: Lori!
    Gleich, schrie sie zurück.
    Dann zu Ruprecht: Ich finde, du solltest nicht nach
Stanford gehen. Nicht jetzt.
    Er blinzelte sie ausdruckslos an. Aber was könnte sie ihm
denn sagen? Was für Gründe könnte sie anführen,
warum er nicht gehen sollte? Ausgerechnet sie, was hat sie schon irgendwem zu
sagen?
    Ich weiß schon, es sieht so aus, als hielte dich hier
nichts mehr, sagte sie langsam. Aber vielleicht gibt es ja doch was, und du
siehst es bloß nicht?
    Blinzel, blinzel, machte Ruprecht. Herrgott, war das
schwer! Als sie noch schön war, ging so was so viel leichter, da brauchte sie
einen Jungen nur anzusehen, und schon fing er an, die Straße runter Rad zu
schlagen! Aber die Zeiten waren vorbei, und sie merkte, dass sie keine Ahnung
hatte, wie man hinter den Schutzschild einer Person kommt.
    Es ist so wie ... Arrgh, komm schon, Lori, sie suchte in
ihrem Hirn nach irgendwas, das nicht sinnlos und schwarz war, aber ihr fiel nur
was ein, was sie mal im Französischunterricht über so einen Dichter
durchgenommen hatten, wobei sie gar nicht wusste, ob das überhaupt was mit dem
zu tun hatte, worüber sie jetzt gerade redeten. Aber was anderes hatte sie
nicht, also sagte sie es. Er hieß Paul Eluard, und er hat einmal gesagt: Es gibt eine andere Welt, aber sie ist in dieser.
    Ruprecht sah sie verdutzt an.
    Es geht darum, dass - sie spürte, wie sie rot wurde, sie
kniff die Augen fest zu, versuchte sich zu erinnern, was Mr. Scott ihnen erzählt
hatte -, dass die Menschen immer irgendwo hin gehen. Dass alle immer nicht da sein wollen, wo sie sind. In Stanford oder in der Toskana
oder im Himmel oder in einem größeren Haus an einer schöneren Straße. Oder dass
sie anders sein wollen, dünner oder schlauer oder reicher oder coolere Freunde
haben (oder tot sein, das sagt sie nicht). Sie sind so damit beschäftigt,
irgendwo anders hinzukommen, dass sie gar nicht die Welt sehen, in der sie
sind. Deshalb sagt dieser Typ, statt nach Wegen aus unserem Leben heraus zu
suchen, sollten wir lieber nach Wegen in das Leben hinein suchen. Weil, wenn du dir die Welt richtig ansiehst, ist
es ... ist es...
    Kacke noch mal, was redete sie da eigentlich, er musste
sie ja für voll bescheuert halten.
    Es ist so, verstehst du, in jedem Ofen ist ein Feuer. Na
ja, und in jedem Grashalm ist ein Grashalm, der sozusagen darauf brennt, ein
Grashalm zu sein. Und in jedem Baum ist ein Baum, und in jeder Person ist eine
Person, und in dieser Welt, die so langweilig und stinknormal aussieht, ist,
wenn du genau hinschaust, eine total spannende, magische, schöne Welt. Und
alles, was du wissen willst, oder alles, was in deinem Leben passieren soll,
alle Antworten sind genau da, wo du jetzt bist. In deinem Leben. Sie öffnete
die Augen. Weißt du, was ich meine?
    So wie Strings?, sagte er.
    Ah, nein, nicht direkt, sagte sie unsicher, aber dann ließ
sie es sich durch den Kopf gehen. Doch, eigentlich schon, ja, genau wie
Strings. Weil, du hast mir doch erzählt, dass sie überall sind, oder? Sie sind
überall um uns rum, nicht bloß in Stanford.
    Ruprecht nickte langsam.
    Da könntest du sie doch auch hier studieren, oder?
    Er fing mit irgendwas von wegen Laboreinrichtungen an,
aber sie fiel ihm ins Wort, weil ihr gerade eine Idee gekommen war. Vielleicht
brauchst du ja nur wen, der dir hilft, sagte sie. So jemanden wie Daniel.
    Er gab keine Antwort, starrte sie nur über seine dicken
Hamsterbacken hinweg an.
    Vielleicht kann ich dir ja
helfen, sagte sie, oder vielmehr war es die Idee, die sie das sagen ließ,
obwohl eine Stimme in ihrem Kopf kreischte, Was redest du da? Ich versteh zwar überhaupt nichts
von Naturwissenschaften, sagte sie und ignorierte die Stimme. Oder von Strings
oder anderen Dimensionen. Aber ich könnte dir ja Sachen aus den Geschäften
besorgen. Und meinen Dad fragen, ob er dich mal wohin fahren kann. Oder wenn du
gerade mit einem Experiment beschäftigt bist, könnte ich dir auch einfach was
zum Essen bringen. Ich meine, ich werd hier ja nicht ewig bleiben.
    Du willst da wieder raus?, gellte die
Stimme. In das da? Aber sie
hörte auch diesmal nicht hin, behielt Ruprecht im Blick, so wie er sie. Bleib
doch hier, Ruprecht, sagte sie. Wenigstens noch ein bisschen.
    Er presste die Lippen aufeinander; dann neigte er den Kopf,
als wäre er nach einer langen, langen Reise irgendwo angekommen.
    Der Wind zauste die Blätter und alles andere im Garten.
    Nachdem sie ihn zum hinteren Tor hinausgelassen hatte,
blieb

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