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Murray, Paul

Murray, Paul

Titel: Murray, Paul Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Skippy stirbt (Teil 3)
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ihrer Bewacher zu entkommen.
Es klingt kläglich und dünn gegen das Prasseln der Flammen, wie junge Kätzchen,
die nach ihrer Mutter maunzen. Mit schlotternden Knien fährt Howard herum und
stolpert zu den Türen hin. Die Hitze schlägt ihm ins Gesicht; unter der Bandage
jubelt seine Hand verzückt auf, als erkenne sie einen der Ihren wieder.
    Die Flammen verwandeln Our Lady's Hall in etwas Lebendiges,
etwas Neues und Schreckliches. Gierig leckend rasen sie über die Wände, und das
triste Raster der Schule darunter - das abgeplatzte Holz, der schäbige
Verputz, die Türen, die Pulte, die Marienfigur - scheint sich bereits von der
Welt verabschiedet zu haben, sich halb dem Schattenreich zuzuneigen. Howard
fühlt sich wie ein Dinosaurier beim Anblick der ersten Meteoreinschläge; als
würde er Zeuge einer sprunghaften Evolution, des Anbruchs einer
unüberwindlichen Zukunft. Er stellt sich vor, wie Gregs Tropenfische in ihrem
Bassin verkochen.
    Tomms steht mit einem Mal neben ihm auf der Schwelle. Howard
blickt ihn benommen an. »Wir müssen etwas unternehmen.«
    »Es ist niemand mehr drin«, sagt Tomms. »Wir haben alle
Zimmer überprüft.«
    »Wo ist dann Van Doren?«
    Tomms schweigt. »Vielleicht im Keller?«, denkt Howard
laut. »Wenn ja, ist es schon zu spät. Aber wieso sollte er da unten sein?«
    Völlig richtig, wieso sollte er; und trotzdem hat Howard
beim Blick auf das bizarre Lichtspektakel das furchtbare Gefühl, dass noch
irgendetwas unerledigt geblieben ist. Dann: »Was war das?«
    »Was?«
    »Haben Sie es nicht gehört? Es klang wie ... Musik.«
    »Ich habe nichts gehört«, sagt Tomms. Seine Nasenflügel
zucken, er riecht die Fahne seines Kollegen. »Kommen Sie, Howard, wir müssen
alle in Sicherheit bringen.«
    »Ich bin mir sicher, dass ich Musik gehört habe«,
wiederholt Howard gedankenverloren.
    »Wo sollte die herkommen?«, fragt Tomms. »Kommen Sie, hier
können wir nichts mehr tun.« Mag sein, dass er kein solcher Experte für
Geschichte ist wie Fallon und im Lehrerzimmer mit Jim Slattery keine gelehrten
Gespräche über den Ersten Weltkrieg führen kann, aber mit Bränden kennt er sich
bestens aus - wie sie beschaffen sind, wie heiß sie werden können, wann man den
Helden spielen kann und wann nicht. »Da war nichts«, wiederholt er voller Überzeugung.
    Doch bevor er ihn aufhalten kann, ist Howard in der brennenden
Schule verschwunden.
    Pulte brennen. Stühle brennen. Tafeln brennen. Kreuze
brennen. Weltkarten, Geodreiecke, Rugbyfotos. Alles, was du hasst, steht in
Flammen. Warum weinst du dann?
    Es war einmal, da stieg Carl durch ein Fenster in die
Waschküche ein. Er war gekommen, um den Dämon zu töten. In der Schule war es
dunkel, doch nach wenigen Augenblicken kam der Pater durch den Flur. Carl
folgte ihm zu seinem Büro. Als der Pater hineinging und die Tür zumachte, goss
Carl Benzin darüber und den ganzen Flur entlang. Dann zündete er es an.
    Er wartete im Feuer, nur um ganz sicherzugehen. Der Pater
öffnete die Tür und starrte auf die Flammen ringsum. Dann sah er Carl und
nickte, als hätte er ihn erwartet. Er kam heraus, Carl wich zurück, doch der
Pater ging in die andere Richtung, ein Stückchen den Flur entlang, und schlug
die Scheibe des Feuermelders ein. Dann ging er zurück in sein Büro und setzte
sich auf seinen Stuhl. Die Sirene schrillte, von überall her kamen Jungs gerannt
und Lehrer und Aufsichtsschüler. Carl versteckte sich.
    Das war vor hundert Jahren, jetzt sind sie alle weg. Und
Carl läuft immer noch im Rauch herum. Er beißt ihm in den Augen, ist dunkel wie
die Nacht, und bei jeder Biegung gerät er nur noch tiefer hinein. Er dachte,
wenn er den Dämon tötete, würde etwas passieren! Dass Lori auftauchen würde,
der Tote Junge ihn zu ihr bringen würde! Aber hier ist nichts, nur Rauch. Er
läuft weiter, die Flammen erinnern ihn an den Abend, an dem er sie das erste
Mal gesehen hat; er war ein Drache, Flammen kamen aus seinem Mund, verbrannten Morgan
Bellamys kleine Mädchenfüße -
    Er bleibt stehen.
    In dem Moment hat er es begriffen. Flammen aus seinem
Mund. Der hat mich umgebracht.
    Der Dämon ist nicht der Pater. Der Dämon ist er.
    Er schaut auf seine Hände. Riesige, schuppige Klauen. Er
fasst sich ans Gesicht, es ist wie aus Stein.
    Er ist der Dämon. Er ist derjenige, der sterben muss,
damit das Spiel aus ist.
    Jetzt weiß er es, darum weint er.
    Der Rauch ist überall, schwarz, als wäre die ganze Welt
ausgestrichen. Von hier gibt es keinen Ausweg.

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