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Music from Big Pink: Roman (German Edition)

Music from Big Pink: Roman (German Edition)

Titel: Music from Big Pink: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Niven
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war die perfekte Modulation seiner Sprechstimme. Ich dachte, der Typ wäre Drummer, aber da saß er, spielte Mandoline und sang wie ein Gott. Diese Jungs, Mann, sie konnten einen gestandenen Mann zum Heulen bringen.
    Richard stimmte die nächste Strophe an. Es war unmöglich, sich der Magie seiner Stimme, diesem Vibrato, diesem Schmerz zu entziehen.
    »Oh mister don’t ya do me, like you done poor old Shine.
    You drove that poor boy till he went stone blind.«
    Ich warf einen Blick nach links. Skye sah aus, als wäre sie gerade Zeugin der Wiederkunft Christi.
    Rick übernahm die dritte Strophe und sah Skye dabei schamlos an. Dann beendeten sie den Song dreistimmig und ließen die letzte, nahezu perfekte Harmonie langsam ausklingen. Als der Applaus aufbrandete – laut und frenetisch –, hob Richard sein Glas, leerte einen halben Liter Schnaps in einem Zug, zerbiss die Eiswürfel und senkte dann schüchtern den Kopf. Manchmal fragte ich mich, was ihn das wohl kostete, die Songs so zu singen, wie er es tat. Für eine Handvoll Freunde und ein paar Fremde holte er alles aus dem Text heraus und jagte die Melodie quer durch seine gespenstisch hohe Stimmlage.
    Der Besitzer wollte den Laden schließen, was aber niemanden weiter zu stören schien. Richard lud uns zu sich und den Jungs nach Hause ein, und kurz darauf standen wir draußen auf der Straße im Regen. Es begannen die üblichen Diskussionen, wer mit wem fahren würde. Mäntel wurden übergestreift und Autotüren zugeschlagen. Ich blickte mich um und sah gerade noch, wie Skye in Ricks Continental stieg. Der Wagen war bereits voll. Kacke. Richard saß allein in seinem Auto, aber um nichts in der Welt wollte ich dort mitfahren. Niemand wollte das, so wie Richard fuhr.
    Hinter mir verließ Levon den Laden mit seiner Freundin Bonnie. Entgeistert starrte er in den Regen. »Scheiße«, fluchte er, »das pisst ja wie aus Kübeln. Brauchst du ’ne Mitfahrgelegenheit, mein Freund?«
    Ich sah, wie Ricks Auto davonfuhr – Skye und Warren winkten mir vom Rücksitz aus zu –, und nickte. Levon folgte meinem Blick. »Sieht so aus, als sollten wir uns beeilen. An deiner Stelle würde ich unseren Freund Rick lieber nicht zu lang mit ihr allein lassen!« Ich setzte mich auf den Beifahrersitz, Bonnie kletterte auf die Rückbank, und wir folgten Richard, dessen rote Rückleuchten bereits in der Ferne verschwanden. Irgendwo vor ihm war Rick. »Keine Angst, die kriegen wir«, versprach Levon und trat aufs Gas. Wir rasten zur Stadt hinaus Richtung Saugerties und bretterten mit siebzig Meilen pro Stunde über die schmalen Landstraßen von Ulster County.
    Levon erzählte gerade von einem Motorradunfall, den er letztens unten in Arkansas hatte – was mein Vertrauen nicht eben stärkte –, als wir diese scharfe Kurve vor der Zena Road erreichten. Es war eine enge, bergab verlaufende Linkskurve, die mir ins Bewusstsein rief, dass Levon noch nicht sonderlich lang in der Stadt war. »Hey«, sagte ich, »vielleicht solltest du …«
    »Weiß ich doch, mein Freund.« Er blendete auf, um zu sehen, ob uns jemand entgegenkam. Als er keine Antwort erhielt, raste er, ohne vom Gas zu gehen, in die Kurve, und mit quietschenden Reifen konnten wir uns gerade noch auf der Straße halten. Bonnie kreischte vor Schreck auf.
    Ich erfasste die Szenerie mit einem Blick: der Polizeiwagen, der mitten auf der Straße stand, daneben Richard und die zwei Cops im flackernden Schein der roten und blauen Lichter, hinter ihnen Richards Auto mit der Nase im Graben. Die Augen im Scheinwerferlicht weit aufgerissen, drehten sie sich um. Richard brüllte irgendwas, und dann brachten sie sich mit einem Sprung in Sicherheit. Levon trat auf die Bremse, musste aber erkennen, dass er den Wagen nicht mehr rechtzeitig stoppen konnte. Also fuhr er im Slalom mitten durch die Cops, Richard und die Autos. Er hätte es auch beinahe geschafft, doch dann rammten wir mit achtzig Sachen das Heck des Polizeiwagens. Ich brüllte laut »Fuck!«, Glas splitterte, Metall krachte – und Bonnie kreischte erneut, als der Wagen quer über die Straße geschleudert wurde.
    Wir kamen mit dem Heck voran zum Stehen und sahen Richard und die Cops aus dem Graben klettern, in den sie sich geflüchtet hatten. Mann, wir hatten sie fast umgebracht. Die Straße war mit Glasscherben übersät. Levon stieg aus und ging mit zitternden Knien auf Richard zu.
    »Bist du verletzt«, fragte ich Bonnie. Sie schüttelte benommen den Kopf.
    »Ich glaube

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