Music from Big Pink: Roman (German Edition)
Butterfield und paar der Jungs aus seiner Band, Chrissie und einige andere Mädchen, die ich nicht kannte, sowie irgendwelche Leute, die für Grossman arbeiteten. Der Raum war prachtvoll und sanft beleuchtet, viel edles Holz, schwere Vorhänge und Holzscheite, die im Kamin züngelten und knisterten. Wie Dylan schien auch Grossman in Antiquitäten zu schwimmen: Teppiche, Vasen, Lampen, Gemälde – überall geschmackvoller, schweineteuer aussehender Scheiß.
In einer Ecke etwas abseits blieb die feine Gesellschaft – oder das, was sich dafür hielt – unter sich: Grossman, Robbie mit seiner Frau Dominique und ein paar Leute, die mir nichts sagten. Ich regelte meinen Kram mit Michelle und gesellte mich dann auf einen Drink zu Butterfield und Richard. Butterfield fragte Richard gerade nach dem Tribute-Abend für Woody Guthrie, der demnächst in der Carnegie Hall stattfinden sollte.
»Welche Songs wirst du spielen?«
»Scheiße, vermutlich Guthrie-Songs, nehme ich mal an. Obwohl, ich weiß nicht mal, ob wir alle dabei sind. Vielleicht auch nur Rick, Robbie und Lee.«
»Ihr solltet ›Grand Coulee Dam‹ spielen«, regte ich an.
»Na ja, weißt du, das ist Bobs Entscheidung«, sagte Richard, griff sich eine Flasche Nobel-Wodka von einem Beistelltisch und wog sie in der Hand, als könne er die Qualität des Inhalts anhand ihres Gewichts abschätzen. Dann goss er sich einen ordentlichen Schluck in ein Glas.
»Wie sieht’s mit eurem Album-Deal aus?«, wollte Butterfield wissen.
»Der steht«, antwortete Richard und schielte zur anderen Ecke hinüber, wo Grossman gerade mit einer Zigarette gestikulierend den in dichten Dunst gehüllten Kopf mit den schweren Benjamin-Franklin-Backen schüttelte, während er dem emsig nickenden Robbie einen Vortrag hielt. Robbie hatte die Hände vor der Brust gefaltet, als befände er sich in einer Kirche.
Im Laufe des Abends wurden Unmengen von Gras geraucht, und es wurde gesoffen, was das Zeug hielt. Ich unterhielt mich gerade mit Richard, als ich sah, wie Howard Alk und dieses Arschloch Bobby Neuwirth den Raum betraten.
Doch die beiden waren bloß die Vorhut. Die Hauptattraktion trat nach ihnen durch die Tür.
Die Leute verlagerten ihr Gewicht, als Dylan hereinkam. Man sah, wie sie von einem Fuß auf den anderen traten, die Beine übereinanderlegten, sich in die Lehnen ihrer Sessel pressten. Oder eine Hand in die Hosentasche steckten, nachdrücklicher nickten, wenn jemand etwas sagte, tiefer Luft holten als nötig und lauter lachten, als den Witzen angemessen war. Auffällig viele bemerkten plötzlich interessante Flecken auf dem Teppich, faszinierende Stellen an den Wänden und coole Reflexionen in ihren Drinks. Aber wenn sie hingeschaut hätten, dann hätten sie sein blaues Baumwollhemd, seine cremefarbene Hose und seine braunen Mokassins gesehen. Sein Haar war kurz und ordentlich zurückgekämmt, er blinzelte durch eine Drahtgestellbrille. Von dort, wo ich saß, sah es aus, als könnte es nicht schaden, sich die Haare zu schneiden, Kinder zu bekommen und zu halbwegs zivilen Zeiten ins Bett zu gehen. Ich meine, Dylan machte einen gesunden und frischen Eindruck. Er besaß kaum noch Ähnlichkeit mit dem nervösen Wrack, das er noch vor einem Jahr gewesen war, diesem Typen in Howards Film.
In der Dokumentation gab es diese eine Szene: Dylan fuhr mit John Lennon im Taxi durch einen grauen britischen Morgen. Sie hatten offensichtlich die Nacht durchgemacht, und Dylan sah aus, als müsse er kotzen: hohlwangig, fettiges Haar, die Haut grau wie Kordit. Seine Fingernägel waren schwarz, wie sie es werden, wenn man tagelang nicht geschlafen hat und sich ständig mit den Händen durchs Haar fährt, sie in die Hosentaschen steckt und so. Aber heute waren seine Nägel sauber, weiß und manikürt, wie kleine Muscheln setzten sie sich von dem rubinroten Wein in seinem Glas ab. Ohne zu wissen, wer er war, hätte man ihn für einen Dozenten an einem Provinzcollege oder meinetwegen einen Maler aus Maine halten können. Neuwirth nahm neben Robbie Platz und Dylan wiederum neben Neuwirth – mit ein paar Leuten Abstand zu Grossman, dem er nicht einmal Hallo sagte –, und nach kurzer Zeit kehrte die Party zu ihrem normalen Rhythmus zurück.
Richard war inzwischen sternhagelvoll und trank direkt aus der Flasche. Vor uns stand ein Couchtisch voller überquellender Aschenbecher, lippenstiftverschmierter Gläser, einem Kapodaster, einem lackierten Walnussholzkistchen und unvollendeten Joints.
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