Music from Big Pink: Roman (German Edition)
nicht.«
Ich konnte sehen, dass Levon den Polizeiwagen voll erwischt und ihn regelrecht zu Klump gefahren hatte.
Bonnie zupfte Glasscherben aus ihrem Haar, und ich malte mir aus, was mich wohl erwartete, wenn diese Cops mich durchsuchen würden, als Levon zurückkam und sich wieder hinters Lenkrad klemmte. Ich hörte, wie einer der beiden ihn anbrüllte.
»Seid ihr in Ordnung?«, fragte Levon.
»Ja, sind Richard und die Bullen in Ordnung?«
»Sie haben einen höllischen Schreck …«
Der Deputy packte Levon am Jackenkragen und zerrte ihn aus dem Auto. Ich kannte ihn zwar erst seit ein paar Stunden, aber so, wie ich Levon einschätzte, war er nicht der Typ, der sich so etwas widerspruchslos gefallen ließ.
Wie erwartet krallte sich Levon den Deputy und warf ihn zu Boden. Im Adrenalinrausch des Unfalls droschen die beiden aufeinander ein. Richard und der andere Cop liefen herüber, und das Nächste, woran ich mich erinnere, ist, dass alle vier aufeinander losgingen wie in einer dieser irrwitzigen Cartoon-Prügeleien: Ein Knäuel aus Fäusten, Beinen und Köpfen wälzte sich auf dem nassen Schotter herum. »Was zur Hölle geht da ab, Greg?«, fragte Bonnie fassungslos.
Ich stopfte den großen Beutel Gras und das Speed ins Handschuhfach, rannte über die Straße und bekam gerade noch mit, wie einer der Cops einen übel aussehenden Knüppel zückte. Als ich »Aufhören!« brüllte, zog er ihn Levon auch schon mit voller Wucht über den Hinterkopf. Dieser ging augenblicklich zu Boden. Damit war die Scheiße vorbei. Richard hob die Hände und sagte: »Ist ja gut, ist ja schon gut.«
Sie legten den beiden Handschellen an und brachten sie zur Wache. Um vier Uhr früh standen Bonnie und ich schließlich vor dem pinkfarbenen Haus der Band. Alle waren gegangen oder im Bett. Im Erdgeschoss lag ein T-Shirt auf dem Boden. Mein T-Shirt. Ein Stückchen weiter lag meine alte Levi’s. Noch weiter, am Fuß der Treppe, lag ein weißes Baumwollhöschen. Es hatte einen kleinen Blutfleck. Ich stand am Fuß der Treppe und lauschte. Und tatsächlich – das Haus war nicht sonderlich groß – konnte ich hören, wie sie es oben in einem Zimmer miteinander trieben. Rick und Skye.
fünf
»There’s only one place was meant for me …«
Der Wintereinbruch kam früh und heftig, wie immer dort oben.
Man sah Autos über die Tinker Street schlittern, Leute blieben in ihren Auffahrten stecken, und der Ashokan fror in Ufernähe zu. Ein Bekannter von Bill Lubinsky besorgte mir Schneeketten, Cream brachten Disraeli Gears raus, und Woody Guthry starb.
Eines Abends, als ich zu Hause rumhing, rief Michelle, dieses Mädchen, das für Grossman arbeitete, bei mir an und sagte, Albert habe gerade ein kleines Beisammensein, und sie seien ein wenig knapp an bestimmen »Party-Utensilien« (Mann, was für eine Scheiße die Leute laberten, wenn sie die Drogen am Telefon nicht beim Namen nennen wollten). Ob ich vielleicht vorbeikommen könne? Grossman war beim Dope genauso maßlos wie bei diesem Gourmetfraß, auf den er so stand, und ich hatte gehört, er würde auch das härtere Zeug nicht verschmähen. Er kam aus dieser Second-City-Szene in Chicago, zu der Leute wie Howard, Del Close und auch Lenny Bruce gehörten. Eine ziemlich heftige Junkie-Szene. Grossman machte mir eine Scheißangst. Er war ein verdammter Koloss (und wurde deshalb von den Leuten auch »der Bär« genannt), clever, reich und einschüchternd. Ich meine, Dylan konnte sarkastisch, ätzend, unnahbar, abgehoben, alles zusammen sein, doch eins kann ich euch sagen: Verglichen mit Albert Grossman war er Charlie Brown.
Um ehrlich zu sein, hätte mich das nicht davon abgehalten, trotzdem etwas näheren Umgang mit diesem Typen zu pflegen, immerhin spielte er ganz oben mit – neben Dylan und den Hawks managte er Janis Joplin, Peter, Paul and Mary sowie Paul Butterfield –, und es gab Gerüchte, dass er vorhatte, bald sein eigenes Plattenlabel zu gründen. Vielleicht würde es mir ja gelingen, einen der Jungs zu überreden, ihm ein Tape mit einigen der Songs zuzustecken, die ich zu Hause aufgenommen hatte. Außerdem: Geschäft war Geschäft, und ich brauchte dringend Geld. Also stieg ich ins Auto und fuhr rüber nach Bearsville, wo Grossman ein großes Anwesen besaß. O ja, wir alle fanden es ziemlich lustig, dass »der Bär« tatsächlich in Bearsville lebte.
Es waren etwa zwanzig Leute anwesend: Richard, Rick und Levon, dieser Typ namens John Simon, der ein Freund von Howard war, Paul
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