Mylady Adelshochzeit 01
Schulzimmer in Amerleigh zur Verfügung und besorge alles, was du brauchst.“
„Das mag für den Augenblick genügen“, warf Charlotte ein. „Doch auf längere Sicht gesehen, Mylord, werden Sie das Schulzimmer selbst benötigen.“
„Ich habe nicht die Absicht, noch einmal zur Schule zu gehen“, erwiderte er schmunzelnd.
„Nein, aber Sie werden in Bälde heiraten, und dann werden Sie das Schulzimmer für Ihre Kinder brauchen.“ Sie wusste nicht, warum sie das gesagt hatte. Es war unverfroren, und sie verdiente es, dafür zurechtgewiesen zu werden. Warum war sie immerzu versucht, seinen Zorn zu erregen?
„Nichts von alledem, Miss Cartwright, steht unmittelbar bevor.“ Er sagte die Worte ausgesucht höflich, und das verleitete sie zu einer neuerlichen Kratzbürstigkeit.
„Nein? Wie mir gesagt wurde, tragen Sie sich mit der Absicht, der betreffenden Dame einen Antrag zu machen.“
„Dann teilen Sie dieser allwissenden Person doch freundlicherweise mit, dass sie einem Irrtum erlegen ist“, erklärte er mit Nachdruck.
Verwirrt schaute Miles Hartley von einem zu anderen und fragte sich, wie aus einem sachlichen Gespräch über einen kleinen tauben Jungen plötzlich ein Katz-und-Maus-Spiel werden konnte. „Das Schulzimmer in Amerleigh Hall reicht für den Anfang gewiss aus“, entschied er.
Sie wandten sich ihm beide so abrupt zu, als hätten sie seine Anwesenheit ganz vergessen und würden sich nun erst wieder unvermittelt daran erinnern. „Dann ist das also geklärt“, sagte Roland.
Nachdem die Meinungsverschiedenheit auf diese Weise aus dem Weg geräumt war, tranken sie ihren Tee und aßen von den Sandwiches und kleinen Kuchen, die Mrs. Cater angerichtet hatte. Charlotte fragte den Captain nach seinen Kriegserfahrungen und zeigte sich über die politische Situation weitaus informierter als die meisten Damen.
„Würden Sie der Armee denn wieder beitreten, Mylord, falls Napoleon sich aus dem Exil wagt?“, fragte sie Roland.
„Das kommt darauf an“, sagte er zögernd, „ob mich dann immer noch so viel in Amerleigh hält wie im Augenblick.“
Doch ausnahmsweise ließ sie sich nicht davon ködern und nippte nur stumm an ihrem Tee, während sie sich vorstellte, wie es wohl sein würde, wenn er nicht mehr in Amerleigh weilte. Sie würde ihn vermissen, weil sie die Wortgefechte mit ihm genoss, versuchte sie sich einzureden, wohl wissend, dass dies nicht der wahre Grund war. Unwillkürlich dachte sie an den Abend, an dem er ihre Hand geküsst und sie sich zum ersten Mal in ihrem Leben wie eine Frau gefühlt hatte. Das war es, was sie wirklich vermissen würde.
Nachdem sich die Gentlemen verabschiedet hatten, schlenderte Charlotte nachdenklich zum Ballsaal und blieb gedankenverloren stehen. Im Geiste hörte sie eine Melodie, sie begann zu summen und sich dazu im Kreis zu drehen. In ihrer Vorstellung war sie indes nicht allein. Der Raum war von Menschen überfüllt, Roland war ebenfalls anwesend, sie tanzten, die Hände verschränkt, die Körper im Gleichklang bewegend wie am Abend von Lady Brandons Soiree. „Ich werde es tun“, sagte sie und blieb abrupt stehen. „Er wird den Tag noch bereuen, an dem er mich eine wilde Range nannte.“
Ihren Bediensteten Anweisungen zu erteilen war ein Kinderspiel für sie, doch eine Gesellschaft auszurichten, die über eine schlichte Dinnerparty hinausging, war etwas, das sie noch nie getan hatte, allein die Vorstellung, alle Vorbereitungen allein treffen zu müssen, überforderte sie. Auch wusste sie nicht, wie man sich als Gastgeberin zu benehmen hatte, was man tun musste, um seine Gäste zu unterhalten. Sie beschloss, sich Unterstützung bei jemandem zu holen, der sich in solchen Dingen auskannte. Natürlich könnte ich Catherine Brandon um Hilfe bitten, doch das würde gewiss nicht gut gehen, denn die Freundin verfolgte ihr eigenes Ziel. Und das deckt sich nicht mit meinen Absichten, dachte Charlotte. Entschlossen verließ sie den Ballsaal, setzte sich an den Sekretär im Salon und schrieb einen Brief an ihre Großtante Lady Emily Ratcliffe.
„Welch außergewöhnliche Frau“, meinte Miles, als sie die Tore von Mandeville passierten und, die Straße missachtend, den Weg über den Hügel nach Amerleigh nahmen.
„Ja.“
„Vermögend, nicht wahr?“
„Äußerst vermögend.“
„Aber sie ist kein Mitglied des Adels.“
„Nein, doch ich glaube, ihre Großmutter mütterlicherseits entstammt einer Adelsfamilie. Ihre Mutter starb bei ihrer Geburt, und
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