Mystery Thriller Band 224

auch“, sagte Ellen seufzend. „Aber trotzdem – irgendwann ist auch noch so viel Geld mal weg. Und wenn du so weitermachst wie bisher, wird das bei dir eher früh als spät passieren. Außerdem …“
    „Ja?“
    Unsicher hob Ellen die Schultern. „Ich weiß nicht, ich finde es einfach nicht gut, wenn man nichts aus seinem Leben macht, bloß weil man nett geerbt hat. Und deine Eltern hätten das genau so gesehen, das weiß ich zufällig ganz genau. Die wollten nämlich auch, dass du deine Ausbildung zu Ende machst und …“
    „Ich weiß, ich weiß“, fiel Daphne ihrer Freundin ins Wort. Dann schüttelte sie den Kopf. „Hör zu, es tut mir leid, aber für so was hab ich jetzt echt keinen Nerv. Ich hab noch jede Menge zu erledigen, ehe ich losfahren kann. Sei mir nicht böse, aber ich muss dich jetzt vor die Tür setzen. Ich melde mich bei dir, sobald ich in Dedmon’s Landing angekommen bin, okay?“
    Ellen nickte betrübt. „Ach Mensch …“ In ihren Augen schimmerten Tränen. „Ich werde dich echt vermissen, weißt du das?“
    Daphne umarmte sie. „Ich dich doch auch – aber wozu gibt es Handy und Internet? Du wirst sehen, schon in ein paar Tagen werde ich dir schwer auf die Nerven gehen, weil ich dich ständig mit SMS und E-Mails bombardiere.“
    Ihr war selbst klar, dass das nicht dasselbe war, und dass sich ihre Freundschaft von nun an radikal ändern würde. Aber das war vermutlich auch ganz gut so. Ellen würde immer nur versuchen, sie in ihrer Begeisterung zu bremsen. Und im Moment konnte sie nur Leute um sich herum brauchen, die genauso dachten wie sie.
    Nachdem Ellen gegangen war, blieb Daphne noch ein bisschen draußen stehen und genoss die milde Abendluft. Dann drehte sie sich um und ging zum Haus zurück, um die letzten Kartons zu holen.
    Sie hatte kurz darüber nachgedacht, hier alles zu verkaufen, um wirklich einen Neuanfang in Dedmon’s Landing zu starten, sich dann aber doch dagegen entschieden. Dies war ihr Elternhaus, sie konnte sich nicht so einfach davon trennen.
    Ohne es zu wollen, dachte sie an Ellens Worte. Es stimmte schon, dass ihre Eltern gewollt hatten, dass sie ihre Ausbildung zu Ende führte, ehe sie sich in irgendwelche verrückten Abenteuer stürzte. Aber was sollte sie mit einem langweiligen Job anfangen, den sie ohnehin nicht auf Dauer machen wollte? Ihre Eltern waren doch auch einfach ihren Träumen gefolgt. Warum sollte sie selbst das nicht auch machen dürfen?
    Seufzend fuhr sie sich durchs Haar und stieg die Stufen zur Veranda hinauf. Das Haus, so viel stand fest, würde sie fürs Erste behalten. Und in einem Punkt hatte sie Ellen vorhin angeschwindelt: Sie war durchaus nervös, hatte sogar ein bisschen Angst vor dem, was ihr bevorstand. Doch dadurch würde sie sich nicht von ihrem großen Traum abbringen lassen.
    Lebe den Tag, so lautete ihr neues Motto. Mit dem, was morgen passierte, konnte sie sich immer noch befassen, wenn es so weit war.

2. KAPITEL
    Daphne konnte sich noch gut an ihre ersten Ferien bei ihrer Tante in Dedmon’s Landing erinnern. Sie war damals dreizehn gewesen und hatte sich furchtbar schlecht behandelt gefühlt: Während all ihre Freundinnen gemeinsam ins Ferienlager fuhren, musste sie, da ihre Eltern in jenem Jahr knapp bei Kasse waren, eine alte Tante besuchen, die sie kaum kannte. Was für eine Katastrophe!
    Doch zu ihrer eigenen Überraschung hatte sie rasch Freunde gefunden und sich eingelebt. Inzwischen war Dedmon’s Landing fast so etwas wie ihr zweites Zuhause geworden, nicht zuletzt, weil sie sich auch mit Tante Edna total gut verstand.
    Dass sie eines Tages einmal komplett herziehen würde, hatte sie allerdings nie geglaubt. Doch nach der Nachricht von dem Flugzeugabsturz, bei dem ihre Eltern ums Leben gekommen waren, hatte sich für sie so einiges geändert.
    Dedmon’s Landing – oder Deadman’s Landing, wie es aufgrund seiner blutigen Vergangenheit als Schmuggler- und Plündererhochburg häufig genannt wurde – war ein typisches verschlafenes kleines Küstenörtchen. Es gab einen kleinen Hafen, ein paar Läden, ein Eiscafé und seit ein paar Jahren sogar eine echte Pizzeria. Doch das Burger Shack , ein Diner in traditionellem Stil, war nach wie vor der Ort, an dem sich die Jugend von Deadman’s traf.
    Genau dort würde Daphne sich zwei Tage nach ihrem Abschied aus Springfield mit Jack und Amber treffen, ehe sie sich gemeinsam auf den Weg nach Dedmon House machen würden.
    Den Tag ihrer Ankunft verbrachte sie damit, sich